6. ZOG
Im Rahmen des 18. Zeidner Nachbarschaftstreffens fand am 20. Juni 2003 in Ludwigsburg der 6. Zeidner Ortsgeschichtliche Gesprächskreis statt, zu dem Nachbarvater Volkmar Kraus unter den 67 Gesprächsteilnehmern u.a. auch Zeidens Pfarrer Klaus-Martin Untch und Bucur Dragu, Zeidens Bürgermeister, begrüßen konnte.
Die anschließende Programmvorstellung durch Balduin Herter machte deutlich, dass die Zuhörer auch bei diesem Gesprächskreis interessante Beiträge zu erwarten hatten.
Mit einer kurzen persönlichen Vorstellung von Georg Aescht leitete er zum gemeinsamen Referat "Das Marktrichteramt von Zeiden in der Literatur von Adolf Meschendörfer (Georg Aescht) und in familiengeschichtlichen Zusammenhängen (Balduin Herter)" über. In seiner Einführung zum eigentlichen Referat ging Georg Aescht gekonnt in sächsischer Mundart auf den aus Kronstadt stammenden siebenbürgisch-sächsischen Schriftsteller Adolf Meschendörfer (1877-1963) ein. Neue Erkenntnisse über Meschendörfers Bekenntnisse zum Nationalsozialismus durch den siebenbürgisch-sächsischen Literaturwissenschaftler Stefan Sienerth lassen Meschendörfers Leben und Werk (Meschendörfer hat die siebenbürgisch- sächsische Literatur des 20. Jahrhunderts nachhaltig geprägt) heute in einem durchaus etwas anderen Licht erscheinen. Den Einstieg in den eigentlichen Beitrag schuf Georg Aescht über die Beziehung Meschendörfers zu dem Zeidner Dichter und Schriftsteller Michael Königes (1871-1955), der Meschendörfer die "Grundlagen" für die Erzählung "Aus der Chronik des Bauerngeschlechtes Millen-Müll" geliefert hat. G. Aescht ging gezielt auf die Familie Müll ein, die in Zeiden über fast sechs Generationen, von 1670 bis Mitte des 19. Jahrhunderts, verwaltet und geherrscht hat. Dabei stellte er die eigentliche Leistung dieser Familien dem Machtstreben innerhalb der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft gegenüber ohne zu verheimlichen, dass für den Machterhalt und die Machtsicherung in Zeiden auch Verbrechen, Unterdrückung und Unmenschliches bewusst in Kauf genommen wurden. Mit ausgewählten literarischen Zitaten belegte Aescht diese Feststellung in besonderer Weise und brachte zum Ausdruck, dass Meschendörfer bei all der sozialpolitischen Kritik, die er der Familie Müll entgegengebracht hat, an das eigentliche Material, das er in dieser Erzählung verarbeitet hat, äußerst professionell und raffiniert herangegangen ist, ohne seine eigenen Zielsetzungen (sein sozialpolitisches Anliegen, das Dokumentarische, die literarische Sphäre und die Aufgabe, die Erzählung in ein "höheres literarisches Koordinatensystem" zu heben) aus dem Auge zu verlieren. Als Fazit stellte er fest, dass die Verbindung dieser vier unterschiedlichen Zielsetzungen, die sich Meschendörfer bewusst gesetzt hat, den Text auf den Leser überzeugend wirken lässt. Mit dem Schlusssatz "obwohl Meschendörfer uns Zeidner mit diesem Text fertig machen und uns Unrecht antun will, können wir darauf stolz sein", beendete Georg Aescht seinen interessanten literarischen Beitrag.
Im Anschluss an Georg Aeschts Beitrag versuchte Balduin Herter, unter Heranziehung von genealogischen Daten die familiengeschichtlichen Zusammenhänge um das Marktrichteramt in Zeiden zu deuten. Dabei stehen die Vertreter der Familie Müll und die Herkunft ihres Namens im Vordergrund seiner Erläuterungen. Herter ging auf die gesellschaftlichen Schichtungen der damaligen Zeit ein, und erklärte anhand einer Liste der nachgewiesenen Verschwägerungen, wie es der Familie Müll über viele Jahre hinweg möglich war, ihre Macht in Zeiden kraft ihres Amtes und ihres Reichtums auszudehnen, zu festigen und zu sichern (Abdruck demnächst).
Über den Stand der Herausgabe der Buchreihe Denkmaltopographie Siebenbürgen (Band 3.4 mit den Burzenländer Ortschaften Zeiden, Neustadt, Schirkanyen und Wolkendorf) informierte anschließend Volkmar Kraus. Im Namen des Vorstandes der Zeidner Nachbarschaft dankte er vor allem Dietmar Zermen, Erhard Kraus, Udo Buhn, Harald Dootz und Balduin Herter für ihre tatkräftige Unterstützung beim Recherchieren, bei der Zusammenstellung der notwendigen Bilder und Daten und für die aufwändige Durchsicht und Korrektur des Bandes. Inzwischen ist der Band fertig gestellt und kann bestellt werden.
Mit einem Kurzbericht und aktuellen Fotos aus Zeiden verschaffte Helmut-Andreas Adams den Zuhörern einen aktuellen Einblick in das Schulwesen Zeidens. In einer Bestandsaufnahme des Schuljahres 2002/2003 gab er Auskunft über die aktuelle Zahl der Schüler, die Zusammensetzung der Lehrerschaft, das Unterrichtswesen, die Unterrichtsfächer und die besonderen Problemfelder im schulischen Bereich.
Franz Buhn konnte sodann seine Theaterdokumentation "100 Jahre Laientheater in Zeiden" vorstellen.
Hans Wenzel beschäftigt sich seit 1997 mit dem Zeidner Wortschatz. Seine bisherige Arbeit steht unter dem Motto "Mer wallen bleiwen wet mer sen - stirbt die Sprache, dann sterben wir mit". Seine emotionsvollen Ausführungen ließen darauf schließen, dass dieser Leitsatz für ihn Motivation genug ist, um die akribische Arbeit im Sinne der Nachbarschaft weiterzuführen.
Über den Stand der Bibliografie Zeiden gab Helmuth Mieskes Auskunft. Dabei stellte er eine Veröffentlichung bis Sommer 2004 in Aussicht.
Mit aktuellen Eindrücken und Erlebnisberichten aus Zeiden schufen Harald Dootz und Udo Buhn einen hervorragenden Übergang zu einer interessanten Fragerunde, bei der vor allem Zeidens Bürgermeister Bucur Dragu und der Zeidner Pfarrer Klaus Martin Untch Rede und Antwort standen. Dabei kamen so interessante Themenbereiche zur Sprache wie Denkmalschutz, Zeidner Waldbad, Museum in Zeiden, Kirchturmbeleuchtung (siehe auch zeidner gruss Nr 95, Seite 36), zweisprachige Straßenschilder, Rückgabe von Kirchengebäuden u.a., die sowohl den Vorstand der Zeidner Nachbarschaft als auch den Gesprächskreis mit Sicherheit in nächster Zeit beschäftigen werden.
Helmuth Mieskes
Artikel erschienen im zeidner gruss Nr.95, Herbst 2003, S. 13-14