17. ZOG in München - Neues ZOG-Projekt - "Die Aussiedlung aus Zeiden"
Am 27. April 2013 fand der einmal jährlich stattfindende Zeidner Ortsgeschichtliche Gesprächskreis (ZOG) im Haus des Deutschen Ostens in München statt, zu dem die beiden ZOG-Organisatoren Udo Buhn und Helmuth Mieskes erstmals gemeinsam eingeladen hatten.
Der Vormittag war für die Zeidner Hobby-Genealogen und Familienforscher reserviert, um in einem größeren Kreis herauszufinden, wo die Zeidner Nachbarschaft 2013 in puncto Familienforschung steht und welche Gründe und möglichen Hindernisse es gibt, die verantwortlich dafür sind, dass in diesem Bereich in den letzten Jahren - trotz einiger Anläufe - keine vorzeigbaren und für die Gemeinschaft dienlichen Ergebnisse erzielt werden konnten.
Anhand einer kurzen Power-Point-Präsentation stellte Altnachbarvater Udo Buhn das bisher in der Zeidner Familienforschung Geleistete dar und zeigte am Beispiel seiner Familiendaten den Nutzen der genealogischen Arbeit auf. Dabei erinnerte er an die Verdienste von Michael Königes (Erstellung einer Vielzahl von Ahnenpässen vor dem Zweiten Weltkrieg) und Lehrer Friedrich Josef Wiener (Herausgabe der Blätter zur Familienforschung in den Jahren 1979-1993), die stets bestrebt waren, dass Familienforschung eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Volks- und Ortsgeschichte hat.
Zu den aktivsten Zeidner Hobbygenealogen zählen heute Dieter Kraus, Hugo Heitz und Helmut Wenzel. Alle drei nahmen die Gelegenheit wahr, ihre Arbeit und den aktuellen Stand ihrer langjährigen und mühseligen "Forschungs- und EDV-Eingabearbeit" vorzustellen und auf die Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, denen Ahnenforscher bei ihrer akribischen Arbeit immer wieder begegnen. Hauptsächlich handelt es sich hier um Erfassungsfehler der Vorgänger und fehlende Daten. Ihren interessanten Ausführungen war zu entnehmen, dass sie es sind, die über einen hohen Prozentsatz der Zeidner Familienstammdaten verfügen. Zudem arbeitet Hugo Heitz seit vielen Jahren an der Zeidner Hofgeschichte, die es möglich macht, die Eigentümer bestimmter Höfe in Zeiden über mehrere Generationen zu benennen. Leider ist die Erfassung der Familienstammdaten (Matrikeln) noch nicht abgeschlossen und ein Austausch untereinander hat ebenfalls noch nicht stattgefunden. Hierbei wurde auf die verschiedenen Erfassungsprogramme und die fehlende Vernetzung verwiesen, die einen Austausch bisher verhindert hat.
Helmut Wenzel informierte über das Projekt "Genealogie der Siebenbürger Sachsen" unter der Leitung von Jutta Tontsch, welches in der Genealogie-Sektion des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) eingegliedert ist. Leiter der Sektion ist der bis April 2013 für das siebenbürgische Genealogie-Projekt zuständige Christian Weiss. Im neuen Projekt soll mit einer moderneren, viel versprechenden Software in einem neuen Anlauf versucht werden, die Daten aller siebenbürgischen Orte zusammenzutragen, um dem Ziel einer gemeinsamen Siebenbürgischen Familienforschung näher zu kommen. Sich diesem Projekt anzuschließen, scheint Helmut Wenzel nicht abgeneigt zu sein. Die Frage die sich hierbei stellt ist, wie sich die ZN in dieses Projekt konstruktiv einbringen kann.
Während der Aussprache wurden Rückfragen zum Datenschutz, zur Weitergabe der Daten untereinander, zur Mithilfe durch das Pfarramt, zum Verlust von bereits gespeicherten Daten (Hugo Heitz) und zur Fehlerquote bei der Erfassung von Daten beantwortet.
Da auch der Vorstand der Zeidner Nachbarschaft ein Interesse daran hat, diese Arbeit wieder verstärkt in den Blickwinkel der Zeidner/-innen zu rücken, wurden am Ende des Vormittags konkrete Schritte festgehalten, die in nächster Zeit umgesetzt werden sollen. Es sind dies:
1. Die Zeidner Familienforschung soll weitergeführt werden.
2. Im "Zeidner Gruß" soll verstärkt über die Familienforschung und die Zeidner Hofgeschichte berichtet und auf die Auswertungsmöglichkeiten für Familien (Ahnenforschung) hingewiesen werden.
3. Auf der Zeidner Homepage soll eine neue Rubrik - Familienforschung - eingerichtet werden.
4. Als Vorstandsmitglied der ZN wird künftig Helmut Wenzel die Verbindung zur Sektion Siebenbürgische Genealogie halten. Er wird zum Ansprechpartner von Frau Tontsch (AKSL) benannt.
5. Den Hobbygenealogen wird angeboten Genealogie-Tagungen der AKSL zu besuchen.
Mit interessanten Einblicken in die Arbeit der Hobbygenealogen und der Bestandsaufnahme ihrer bisherigen Arbeit wurde die Gesprächsrunde am Vormittag in der Hoffnung beendet, der Familienforschung künftig, ganz im Sinne von Königes, Wiener und Herter, einen festen Platz in der ZeidnerNachbarschaft einzuräumen.
Nach dem Mittagessen führte Helmuth Mieskes in das neue ZOG-Projekt "Die Aussiedlung aus Zeiden" ein und erläuterte die Beweggründe für dieses bisher etwas unbeachtete Thema, das nicht nur seiner Meinung nach dringend und vor allem rechtzeitig von Wissensträgern (also von uns allen, die ausgereist sind) aufgearbeitet werden muss. Wohl wissend, dass jede Ausreise zwischen 1968 und 1998 anders verlaufen ist, und dass jede Ausreise seine eigene Vorgeschichte hatte, wies er auf die Wichtigkeit einer ehrlichen und umfassenden Darlegung der Geschehnisse hin, um für die Nachwelt die wahren Hintergründe und vor allem die persönlichen Beweggründe für unsere Ausreise aus Rumänien zu hinterlassen. Er betonte ausdrücklich, dass dies ein Stück Zeitgeschichte darstelle, die der Beweis dafür ist, dass in den drei Jahrzehnten in unserem Leben und in unserer Heimatgemeinde Zeiden wichtige Veränderungen von geschichtlicher Bedeutung stattgefunden haben, die später in die Geschichte Zeidens als finaler Exodus eingehen werden.
Mit drei sehr unterschiedlichen Beiträgen versuchten Helmuth Mieskes, Udo Buhn und Kurt Schoppel ihre Erinnerungen an oder um die Ausreise wider zu geben und auf Dinge verstärkt hinzuweisen, die während des einsetzenden Ausreisewahns in vielen Familien für schlaflose und unruhige Nächte gesorgt haben. Während Helmuth Mieskes an eine spannende aber letztendlich gescheiterte DM-Geldübergabe mit beträchtlichen Geldsummen im Jahr 1984 in einem Waldstück nahe Elisabethstadt erinnerte, versuchte Udo Buhn seine Ausreise (1975) im Rahmen einer Familienzusammenführung (Heirat) in einem Licht erscheinen zu lassen, das der damaligen etwas unkonventionellen Handhabung (Vorteilnahme im Amt) bei der Bewilligung von Ausreiseanträgen entsprach. Kurt Schoppel Kurt erbrachte mit seinem Beitrag den Beweis, dass Anfang der siebziger Jahre (1974) durchaus die Möglichkeit bestand ohne Schmiergelder das Land zu verlassen. Dass dabei gute Bekannte oder gar Freunde in der Lage waren richtig und ohne Vorteilnahme zu helfen und auch wichtige Beziehungen von Vorteil sein konnten, stand außer Frage. Völlig legale Ausreisen, die unter Einhaltung der Bedingungen für die Familienzusammenführung besonders zwischen 1968-1978 zustande kamen, waren das Ergebnis von wiederholten Verhandlungen zwischen Rumänien und der Bundesrepublik (das erfuhr man jedoch sehr viel später).
Im Anschluss an die Beiträge entwickelte sich eine lebhafte Gesprächsrunde, bei der viele der anwesenden Gesprächsteilnehmer an ihre eigene Ausreise und die damit verbundenen Unwägbarkeiten, erinnerten. Eine der spannendsten Fragen, die es dabei in der Runde zu beantworten galt, war die nach dem Warum? Warum sind wir eigentlich aus Zeiden ausgereist? Warum war dieser Wunsch eigentlich so stark? Warum wurde diese Welle bis 1989 nie unterbrochen (die Zahlen sind belegbar) und welche Hauptursachen waren verantwortlich für den Wunsch, der damaligen Heimat den Rücken zu kehren, Freunde und Verwandte zu verlassen und für eine über achthundertjährige Geschichte das Ende in großen (am Anfang sicher nicht überschaubaren) Schritten einzuleiten. Jeder der darauf eine Antwort wusste - und die Antworten waren sehr unterschiedlich und zum Teil auch überraschend- versuchte auf seine Art die ehrlichen und wohl auch zwingenden Gründe für seine Auswanderung darzulegen. Die Rede war von geschichtlichen Zwängen, von materiellen Gründen, von Wohlstandsdenken, von einem Leben in Freiheit, vom unerträglichen Druck der Securitate, von Bespitzelung, von Unzufriedenheit im Alltag und im Berufsleben, von Angst und Ungerechtigkeit, ja gar von Beeinflussung, Verzweiflung und Vereinsamung.
Werner Gross, gab zu, dass das dieses "Warum" ihn auch heute noch sehr belaste. Kurt Schoppel richtete seinen Blick nach vorne, wohl wissend, dass diese gewollte Auswanderung nicht rückgängig gemacht werden kann. Seinen Blick richtete er jedoch auch an die Verbliebenen in Zeiden, die unsere Geschichte noch einige Jahrzehnte wach halten werden. Es sei unsere Pflicht, sagte er weiter, diesen Menschen unsere Unterstützung anzubieten und dort zu helfen, wo Hilfe notwendig und angebracht ist.
Hans Unberath begrüßte den Versuch der Aufarbeitung dieser Lücke in unserer lokalen Geschichte und unterstützte den Vorschlag, diese Lücke gemeinsam zu schließen. Dabei würden jedoch nur wahre Erlebnisberichte mit konkreten Angaben, mit Namen und Fakten hilfreich sein.
Am Ende einer überraschend offenen Aussprache, bedankte sich Helmuth Mieskes für diesen Meinungsaustausch und erinnerte an unsere Verantwortung für unsere gemeinsame Geschichte.
Im Anschluss trug Renate Kaiser passende Gedanken zum Thema Heimat, Identität und Integration vor. Dabei ging sie unter anderem auch der Frage nach Integrationsmöglichkeiten nach, die die Weiterführung von mitgebrachten Bräuchen und Sitten beinhalten.
Am Ende dieses Nachmittages nahm Franz Buhn die Gelegenheit wahr, über den Stand des Projekts "Das Musikleben in Zeiden" zu informieren und auf die Fülle der bisherigen Dokumentation hinzuweisen.
Mit dem Dank an die Teilnehmer wurde der 17. ZOG in der Gewissheit beendet, dass nur unter aktiver Mithilfe der Zeidner/-innen, die Arbeit in diesem Gesprächskreis wirkungsvoll weitergeführt und ausgebaut werden kann. Diese Mithilfe wird weiterhin eingefordert.
Helmuth Mieskes, Böbingen