Dr. Paul Milata referierte beim 11. Zeidner Ortsgeschichtlichen Gesprächskreis (ZOG) in München
Am 26. April 2008 fand auf Einladung der Organisatoren der 11. Zeidner Ortsgeschichtliche Gesprächskreis, im Haus des Deutschen Ostens, in München statt. Insgesamt folgten 49 Gesprächsteilnehmer, darunter auch Teilnehmer, die zum ersten Mal dabei waren, dieser Einladung.
In seiner Eigenschaft als stellv. ZOG-Leiter eröffnete Helmuth Mieskes, den 11.Gesprächskreis, auch im Namen des Vorstandes der Zeidner Nachbarschaft, mit der Begrüßung. Hierbei hieß er besonders Frau Brigitte Stephani, die Verfasserin der Eduard Morres Monografie, herzlich willkommen. Einen besonderen Gruß ließ er von Altnachbarvater und ZOG Initiator Balduin Herter ausrichten, der aus gesundheitlichen Gründen, diesmal leider nicht dabei sein konnte.
Nach einer kurzen Einführung in die Tagesordnung und in den Tagesablauf, zeigte sich der Gesprächskreisleiter erfreut, mit Herrn Hans Unberath den ersten Referenten dieses Tages vorstellen und gleichzeitig darauf hinweisen zu können, dass sich der Gesprächskreis erstmals mit der Zeidner Schulgeschichte beschäftigt und seine Aufmerksamkeit auf diese wichtige Sparte gesellschaftlichen Lebens in Zeiden richtet.
Danach nahm der ehemalige Zeidner stellv. Direktor Hans Unberath, mit seinem Vortrag „Aus meiner Erfahrung als Schulleiter in Zeiden“, die Möglichkeit wahr, die bisher in der Öffentlichkeit unbekannten Mechanismen des Zeidner Schullebens der 60-er und 70-er Jahre vorzustellen, seine Hartnäckigkeit Dinge durchzusetzen, von denen er überzeugt war, herauszustellen, dabei seine eigentlichen nicht gerade einfachen Aufgaben als stellv. Direktor zu erläutern und seine persönlichen Erfahrungen an praktischen Beispielen aus dem Schulalltag darzulegen.
Auf drei genützte Möglichkeiten, mehr Gerechtigkeit und ein bisschen mehr Demokratie in der Schularbeit zu sichern, ging Unberath dann ausführlicher ein. Zum einen war da der Fragebogen, den Hans Unberath zu Beginn des Schuljahres 1974/75 eingeführt hatte und mit dem versucht wurde, staatlicher Willkür und der Ungerechtigkeit bei der Leistungsbeurteilung entgegen zu treten. Zum Andern wurde, Dank seiner Intervention, unter Einbindung der methodischen Schulkommissionen und Anwendung klar aufgestellter Grundsätze versucht, bei der Aufnahme von Erstklässlern eine gerechtere Erfassung und Verteilung der Kinder vorzunehmen. Damit sollten einerseits Eliteklassen verhindert und andererseits bereits am Schuljahresanfang Gerechtigkeit und vor allem Gleichbehandlung eingefordert werden.
Welche positiven Auswirkungen der offene Umgang mit Unberaths „Assistenzheft“- das Unberath kurz vorstellte – hatte, erläuterte der Referent anhand von praktischen Beispielen, im Anschluss.
Seine Schlussbemerkungen galten den Beziehungen zu den rumänischen Lehrerkollegen, die er allgemein als „gut“ herausstellte und die er im Kontext mit seinem Vortrag auch richtig verstanden wissen wollte.
In der anschließenden Aussprache wurden die Ausführungen von Frau Unberath und Frau Renate Kaiser, als ehemals betroffene Lehrerinnen, ergänzt, so dass dem Zuhörer ein kleiner aber dennoch sehr interessanter Einblick in das Zeidner Schulleben in einer kommunistisch geprägten Zeit vermittelt werden konnte.
Helmuth Mieskes dankte Herrn Unberath für die detaillierten Einblicke ins Zeidner Schulleben und hob hervor, dass dieser Einstieg in die Zeidner Schulgeschichte, evtl. der Beginn einer sich fortsetzenden Serie darstellen könnte, dem eigentlich weitere Beiträge folgen sollten.
Der zweite Teil des Vormittagsprogramms war dem Zeidner Theaterleben gewidmet.
Franz Buhn, der Verfasser seiner bereits 2003 in Ludwigsburg vorgestellten Dokumentation „100 Jahre Laientheater in Zeiden“ ging in seinen Vorbemerkungen zur eigentlichen Buchvorstellung auf die Beweggründe der Überarbeitung ein und verwies dabei auf die Entwicklung, die das neue Buch „Das Laientheater in Zeiden“ in den letzten drei Jahren mitgemacht hat.
Franz Buhn bedankte sich bei all Denjenigen, die dazu beigetragen haben, dass dieses Buch, das im Dezember 2007, in der Schriftenreihe „Zeidner Denkwürdigkeiten“ als Heft 14, herausgegeben werden konnte. Namentlich erwähnte er dabei besonders Balduin Herter, Ernst von Kraus, Katharina Unberath, Rita Siegmund, Renate Kaiser, Manfred Christel und natürlich Carmen Kraus, die für das Layout dieser Neuerscheinung verantwortlich ist.
In Versform leitete er dann zur Buchvorstellung durch Frau Katharina Unberath über.
Als besondere Kennerin der deutschen Theatermaterie und als kompetente Fachfrau, war Frau Katharina Unberath ihre berechtigte Begeisterung über die Neuerscheinung förmlich anzumerken. Und so fiel es ihr, angesichts dieser positiven Gemütsverfassung, bei der Buchpräsentation eigentlich sehr leicht die Zuhörer mit ihrer Art bildhaft zu erzählen, in ihren Bann zu ziehen und sie mit diversen Theateraufführungen vergangener Zeiten direkt zu konfrontieren. Dabei wies sie auf eindrucksvolle Schaffensperioden im Zeidner Theaterleben hin und hob unvergessliche Bühnendarsteller/-innen und unermüdliche Theaterleiter/-innen (u.a. Dr. Hans Jakob Kolf und Frau Hildegard Wagner), hervor.
Frau Unberath attestierte Franz Buhn eine hervorragende und gelungene Arbeit, lobte sein akribisches Recherchieren und seine Mühe zum Detail. Einen besondere Anerkennung zollte sie Carmen Kraus für ihre Arbeit und gratulierte für die wohl überlegte Gliederung und die ansprechende Aufmachung dieser überarbeiteten Fassung von 2003.
Zum Schluss würdigte Frau Unberath dieses für Zeiden einzigartige Theaterbuch, das beim Lesen durchaus Nostalgie aufkommen lässt, als wichtigen Bestandteil deutscher Kulturgeschichte in Zeiden und empfahl es warmen Herzens „den Zeidnern Theaterfreunden“ weiter.
Am Nachmittag begrüßte Helmuth Mieskes, den Historiker Dr. Paul Milata aus Berlin, der spätestens seit der Veröffentlichung seines Buches „Unter Hitler, Stalin und Antonescu“ – Rumäniendeutsche in der Waffen-SS“ besonders in der an Geschichte interessierten siebenbürgisch-sächsischen Öffentlichkeit auf sich aufmerksam gemacht hat.
Mieskes unterstrich bei der Einführung ins neue Gesprächskreisthema die Notwendigkeit genaue Geschichtsfakten zu kennen, um bei dem Versuch, die Volksgruppenzeit in Zeiden aufzuarbeiten, keinen Fehleinschätzungen und vor allem keinen falschen Geschichtsauslegungen (die durchaus vorhanden sind) zu unterliegen.
Nachdem Milata, der mit einer diesem Buch zugrunde liegenden Arbeit an der Humboldt Universität Berlin promoviert hat, sich persönlich kurz vorstellte und seine Beweggründe für die Erstellung dieses grundlegenden Buches darlegte, eröffnete er seinen Vortrag „Die Eintrittsmotivation der Rumäniendeutschen in die Waffen-SS“ mit einem geschichtlichen Vorspann zur Neuzeit-Geschichte Rumäniens, der besonders die zwanziger und dreißiger Jahre und die Entwicklung der politischen Strömungen in Rumänien umschloss.
Danach widmete er sich seinem eigentlichen Thema und beschäftigte sich hauptsächlich mit den Argumenten, die seiner Meinung nach, 1943 den Ausschlag für einen freiwilligen Eintritt der Rumäniendeutschen in die Waffen-SS gegeben haben.
Seiner These, dass der freiwillige Eintritt nicht nur als Unterstützung NS-Deutschlands – trotz oder wegen Hitlers – gewertet werden kann, fügte er weitere einleuchtende Argumente, die auf neuere Forschungsergebnisse basieren, an. Als wichtigste nannte er den Nationalismus des Heimatstaates Rumänien, die Ablehnung des sowjetischen Systems stalinistischer Prägung (Bolschewismus), die hohe ideologische (nationalsozialistische) Überzeugung, die Freundschaft zum Deutschen Reich, den Wunsch vieler junger Leute, an etwas Größerem teilzunehmen und letztendlich den gesellschaftlichen Druck, der auf den Schultern der jungen Männer lastete. Besonders diesen Druck stellte Milata als wichtigen und nicht zu unterschätzenden psychologischen Aspekt heraus
Im weiteren Verlauf seines Referats ging Milata auch auf die Gegenargumente, die damals gegen einen Eintritt in die Waffen-SS, gesprochen haben, ein. Hierbei kam besonders nach 1943 der Familie und den familiären Verhältnisse eine besondere Bedeutung zu.
Besondere Beispiele Milatas machten deutlich, wie die vorhandene NS-Sympathie bei den Volksdeutschen in Rumänien sich im Verlauf des Zweiten Weltkrieges entwickelte, ja gar steigerte und welche Auswirkungen diese auf die Eintrittsmotivation der „Freiwilligen“ hatte.
Ganz nebenbei erfuhr der Zuhörer wie die frühen Rekrutierungen und die Massenrekrutierung im Jahr 1943 vorgenommen wurden, und welche hohen und anspruchsvollen Auswahlkriterien bei der Musterung galten.
Ganz kurz ging Milata auch auf die KZ-Wachmannschaften ein, in denen vornehmlich Deutsche aus den Ostgebieten und Gebieten außerhalb des Deutschen Reiches eingesetzt wurden. Hier überraschte er mit einer neuen These, die bisher nur wenig Beachtung in der Öffentlichkeit fand.
Den Schluss seines Vortrages widmete er seiner neusten Auswertung einer Geschichts-Datenbank, die unter 8000 Gefallenen auch 43 interessante Angaben zu Zeidner SS-Soldaten enthält. Milata versprach diese Datensätze weiter zu bearbeiten und dem Gesprächskreis die Daten (Zeiden betreffend) zur Verfügung zu stellen.
Im Anschluss an den Vortrag nahm Dr. Milata die Möglichkeit wahr, Rückfragen zu seinem Vortrag zu beantworten. Dabei versuchte er, seine Aussagen mit Zahlen und Fakten zu belegen, falsche Interpretationen oder Aussagen zu berichtigen und besonders den Unterschied zwischen Wehrmachtsoldat und SS-Soldat deutlich herauszustellen. U.a. wurde auch die Wertstellung rumäniendeutscher Soldaten beim rumänischen Militär hinterfragt und gedeutet.
Mieskes dankte Herrn Milata für seinen sehr gut verständlichen Vortrag, die anschließende Diskussion und seine Bereitschaft in einem Laienkreis zu referieren. Für die bevorstehende Ehrung, mit dem „Ernst von Habermann-Preis“, beim Heimattag 2008 in Dinkelsbühl gratulierte er dem Gast aus Berlin ganz herzlich und wünschte ihm für seine Forschungsarbeit weiterhin alles Gute.
Unter dem Tagesordnungspunkt „Zeidner Denkwürdigkeiten“ (ZD) wurden die diversen Vorhaben, an denen nach wie vor, mit unterschiedlichem Erfolg, weiter gearbeitet und recherchiert wird, (u.a. Zeidner Waldbad) vorgestellt und in Erinnerung gerufen. Bis zum Zeidner Nachbarschaftstreffen 2009 stellte Mieskes die Veröffentlichung und Herausgabe zwei weiterer Bücher in der Schriftenreihe „Zeidner Denkwürdigkeiten“ in Aussicht. Zum einen soll Band I „Zeidner Persönlichkeiten“ erscheinen und zum anderen die zweisprachige Kurzchronik „Zeiden/Codlea“ von Rainer Lehni und Georg Aescht fertig gestellt werden.
Mit der neuen Dokumentation „Die Konfirmation in Zeiden im Wandel der Zeit“, an der Helmuth Mieskes seit 2007 unauffällig arbeitet, soll zudem erstmals ein Stück Kirchengeschichte in Bild und Text aufgearbeitet werden. Mieskes verwies auf die Vorgeschichte, die bis ins Jahr 1987 zurück geht und hob die Bedeutung dieser Dokumentation, die 2009 durch eine Bilderausstellung in Friedrichroda erleichtert werden soll, hervor und erläuterte kurz den möglichen Inhalt.
Mit dem „Lexikon Zeiden“ wurde letztendlich das ehrgeizigste ZOG-Vorhaben vorgestellt. Carmen Kraus, die sich dieses mehrjährigen Vorhabens als Koordinatorin angenommen hat,
konnte seit 15. März 2008, in kürzester Zeit also, die Arbeitsvoraussetzungen hierfür schaffen, um das noch zu bildende Arbeitsteam in die eigentliche Arbeit einzubinden. Mieskes rief zur aktiven Mitarbeit und bat um Unterstützung für diese gemeinschaftliche Arbeit.
Das Schlusswort dieser Veranstaltung gehörte Nachbarvater Udo Buhn, der die Zuhörer mit den wichtigsten Mitteilungen aus der Nachbarschaft und den dürftigen Informationen aus Zeiden, versorgte. Dabei verwies er besonders auf die neue Ausgabe (104/2008) des Zeidner Grußes und den bevorstehenden Heimattag in Dinkelsbühl zu Pfingsten, an dem Netti Königes, für die Organisation der Zeidner Trachtenträger verantwortlich ist.
Mit dem Dank an die Organisatoren Renate Kaiser und Helmuth Mieskes, an die Referenten und die Teilnehmer beendete der diesen eintägigen interessanten Gesprächskreis und wünschte allen Auswärtigen eine gute Heimreise.
Böbingen, den 6. Mai 2008
Helmuth Mieskes