Die Aussiedlung aus Zeiden - ein Thema, das aufgearbeitet werden muss !!
Betrachtet man die Geschichte Siebenbürgens, des Burzenlandes und hier speziell die unserer Heimatgemeinde Zeiden im letzten Jahrhundert, so gibt es angefangen vom Ersten Weltkrieg 1914-1918, bis hin zur Aussiedlung der Deutschen aus Rumänien in den Jahren nach 1989 verschiedene, epochal tief greifende Ereignisse, über die wir, aber auch andere schon sehr viel geschrieben und zusammengetragen haben. Dazu zählt zweifelsohne der Erste Weltkrieg, die Geschehnisse im Jahr 1916 im Burzenland, der Anschluss Siebenbürgens an Rumänien im Jahr 1919, die Zwischenkriegsjahre, die verhängnisvolle Volksgruppenzeit, der Zweite Weltkrieg und die verheerenden Folgen für ganz Europa, die Deportation nach Russland im Jahr 1945, die unmittelbare Nachkriegszeit im Kommunismus, die Agrarreform, die Schulreform, die Enteignung, die Evakuierungen (Zwangsumsiedlungen) im Jahr 1952 und schließlich die Zeit der Repressalien und zunehmenden Romanisierungsbestrebungen (1965 -1989) unter Regierungschef Nicolae Ceausescu. Alle diese geschichtlichen Ereignisse und Etappen haben eines gemeinsam – sie haben das Leben und die Schicksale unserer Familien in entscheidendem Maße bestimmt und nachhaltig geprägt und letztendlich so schwerwiegend beeinflusst, dass es mit der Aussiedlung von Familien aus Zeiden, mit Beginn der 60-er Jahre zu einschneidenden Veränderungen im Familien-, Gesellschafts- und kirchlichen Leben der Gemeinde Zeiden geführt hat. Diese, Jahre zuvor nie für möglich gehaltenen, Veränderungen, die zwar von vielen von uns, zu unterschiedlichen Zeitpunkten, erhofft wurden, fanden mit den politischen Veränderungen in Rumänien nach 1989 ihren Höhepunkt. Wie die Entwicklung in Zeiden danach seinen Lauf genommen hat, welche rasante Eigendynamik dabei entwickelt wurde und wie die überwiegende Mehrheit der sächsischen Bevölkerung ihre Entscheidungen getroffen hat, ist den meisten von uns bestens bekannt. In der einst stolzen Burzenländer Gemeinde Zeiden, die 1941 immerhin 3293 Deutsche zählte, leben heute nur noch 442 evangelische Gemeindeglieder (Stand: 30. Juni 2012) und wenn man diese Zahl genauer analysiert, so stellt man fest, dass eigentlich nur noch rd. 200 Gemeindeglieder deutscher Abstammung sind und die demografische Entwicklung der nächsten Jahre dafür sorgen wird, dass diese Zahl weiterhin rapide abnehmen wird. Wie lange sich spürbares Deutschtum und evangelische Einflüsse in Zeiden halten können, ist aus heutiger Sicht nicht absehbar. Die Tatsache, dass die Gemeindeglieder der Evang. Kirchengemeinde A.B. zurzeit durch Pfarrer Andreas Hartig pfarramtlich sehr gut versorgt werden, dass es noch eine gut betreute deutsche Schulabteilung gibt – nach der eigentlichen Herkunft der Kinder fragen wir bewusst nicht - und dass ein Deutsches Forum vor Ort eine kleine, aber sehr willkommene, Plattform für diverse Betätigungen bietet, verlangsamt zwar diesen Prozess, aber der Lauf der Dinge – und das ist meine persönliche Meinung - ist unaufhaltsam. Diejenigen unter uns, die ihre Augen vor der eigentlichen Realität und der vorausschaubaren Entwicklung nicht verschließen, wissen das.
Leider verfügen wir über den Zeitabschnitt von 1933 bis 1945 nur über sehr bescheidene geschichtliche Kenntnisse, über die politischen Geschehnisse in Zeiden. Vieles von dem was damals in Zeiden geschehen ist, kann heute leider nicht einmal in Bruchstücken nachgelesen werden. Richtiges Dokumentationsmaterial, das uns eine Einschätzung der damaligen Lage erlauben würde, gibt es vereinzelt nur für einige wenige Ereignisse. Damit fehlt uns, vor allem den Jüngeren, ein Teil unserer gemeinsamen und vor allem der wahren Geschichte. Das durchaus interessante Geschichtspuzzle dieser Zeit, das wir durch unseren umfangreichen NS-Fragebogen erhofft hatten, zu vollenden, blieb mangels erhoffter Mitarbeit und mangels Verständnis für diese bislang fehlende Dokumentation unvollendet. Das ist nicht schlimm, werden Einige sagen, die damaligen Ereignisse gehören der Vergangenheit an und das ist gut so. Andere wiederum, bedauern diese Lücken, die man viel früher hätten schließen müssen, und wären froh, wenn hier mehr Transparenz und vor allem mehr Wahrheit ans Licht käme. Dieses Kapitel scheint für uns, die sich bemüht haben, hier ein bisschen Transparenz zu schaffen, abgeschlossen zu sein. Unsere Initiative im ZOG (Zeidner-Ortsgeschichtlicher-Gesprächskreis), die Aufarbeitung dieses Zeitabschnittes in Angriff zu nehmen, verlief, gemessen an unseren Erwartungen, sehr zögerlich und versehen mit sehr viel Distanz zu den damaligen Ereignissen. Vielleicht ist diese von mir unerwartete Distanz berechtigt. Ich, der dem Jahrgang 1957 angehöre, kann das nur schwer beurteilen. Der zaghafte Versuch jedoch, fast nicht hinnehmbare Lücken in unseren bislang herausgegebenen Publikationen, für diese besagte Zeit zu schließen, ist leider gescheitert. Eine Nacharbeitung nach uns, kann wohl, mangels Wissensträger, mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
Das ist jedoch für uns kein Grund nicht weiter zu machen und Mitarbeit dort einzufordern, wo wir sie für notwendig und angebracht halten. In vierzig oder fünfzig Jahren wird es sicher Nachkommen von uns geben, die mit einem – hoffentlich - ausgeprägten Geschichtsbewusstsein, unsere in Etappen erfolgte Aussiedlung aus Siebenbürgen nach Deutschland hinterfragen werden. Betroffen ist ein Zeitraum von ca. dreißig Jahren, von 1968 bis 1998. Damit sie später – mit der Wahrheit konfrontiert werden und brauchbare und ehrliche Antworten auf Ihre neugierigen Fragen finden, wollen wir das Thema – Aussiedlung aus Zeiden–2013 zum ZOG Projekt erheben und unsere Erfahrungen und Erlebnisse in den nächsten Jahren aufschreiben und dokumentieren. Über die Aussiedlung der Deutschen aus Rumänien wurde in den letzten drei Jahrzehnten viel geschrieben und publiziert. Tagungen und Foren wurden veranstaltet. Interviews wurden geführt. Menschen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Schul- und Berufsausbildung kamen zu Wort. Zunehmend wurden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens befragt, damit dadurch die Aufmerksamkeit der Leser erhöht wird. Jedoch bezogen auf Zeiden und ihre „Aussiedler“, wissen wir eigentlich sehr wenig über die Hintergründe, die persönlichen Beweggründe, über den Zeitpunkt, die Art, die Wege und vor allem über die Kosten der Aussiedlung – von den Zwängen unbedingt aussiedeln zu müssen - ganz zu schweigen.
Damit haben wir das Wichtigste bereits vorweggenommen. Um dieses Thema umfassend bearbeiten und wichtige Dinge festhalten zu können, bedarf es vieler, umfassender Erlebnisberichte. Interessant wäre dabei, wenn Diejenigen sich zu Wort melden würden, deren Aussiedlung aus ihrer Sicht eine besondere, eine schwierige, eine ungewöhnliche war. Ich behaupte, dass nur wenige Ausreisen aus Zeiden gleich verlaufen sind. Jede Ausreise hat für die/den Betroffene/n oder die ganze Familie eine besondere Note, sie verbirgt sicher eine Besonderheit, die in der Gesamtheit ein vollständiges Bild dieser geschichtlichen Veränderung in Zeiden ergibt. Um das umsichtig herauszufinden und etwas genauer zu recherchieren, bedarf es Eurer Mithilfe.
Die Aussiedlung aus Zeiden ist ein für uns ein Stück Zeitgeschichte. Sie ist der Beweis dafür, dass in den Jahren 1968-1998 in unserem Leben und in unserer Heimatgemeinde Zeiden wichtige Veränderungen, von geschichtlicher Bedeutung, stattgefunden haben, die später in die Geschichte sicher als finaler Exodus eingehen werden.
Wir alle sind aufgefordert, diesen Beweis mit unseren Berichten mit Leben zu füllen und das schriftlich festzuhalten was wahr ist und was uns wichtig erscheint. Tun wir das, so lange unser Erinnerungsvermögen das zulässt, haben wir aus der Geschichte – die noch gar nicht so lange zurück liegt - gelernt.
Einen ersten Schritt in diese Richtung wollen wir am 27. April 2013 tun. Ich hoffe, dass wir uns dabei unserer Verantwortung für unsere gemeinsame Geschichte bewusst sind.
Helmuth Mieskes, Böbingen