Die Landwirtschaft in Zeiden im 20. Jahrhundert
Buchbesprechung
Kraus , Erhard (2005): Die Landwirtschaft in Zeiden im 20. Jahrhundert - Eine Dokumentation ihrer Entwicklung.
Heft 9 der "Zeidner Denkwürdigkeiten". Herausgeber: Zeidner Nachbarschaft und Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e.V. Heidelberg, Raubling und Heidelberg, 261 Seiten, 53 Tabellen, 106 Abbildungen, ISBN 3-929848-47-3.
In einer 1924 erarbeiteten Analyse der siebenbürgischen Landwirtschaft im großrumänischen Wirtschaftsgebiet, nach der Einverleibung Siebenbürgens in den rumänischen Nationalstaat, kommt Gustav Adolf Klein, der langjährige Direktor der Hermannstädter Allgemeinen Sparkassa, zu dem Schluss, dass "die höchsten Erträge in ganz Großrumänien das kleine deutsche Burzenland aufweist, dessen Landwirtschaft in jeder Beziehung mustergültig ist". Er nennt unter anderem die Erträge der wichtigsten Anbaukulturen, die in der Regel um 10 bis 50 % höher waren als im restlichen Siebenbürgen und in den anderen rumänischen Provinzen.
Der Grund hierfür lag mit Sicherheit nicht nur an den günstigen Bedingungen für eine landwirtschaftliche Urproduktion im Burzenland, sondern auch wesentlich an dem Selbstverständnis, das die Siebenbürger Sachsen der Landwirtschaft und dem ländlichen Leben entgegenbrachten.
Der Autor des hier zu besprechenden Buches, Erhard Kraus, hat diese beiden Aspekte, die Dokumentation von Fakten und Tatbeständen sowie die Darstellung der ländlichen Entwicklung, am Beispiel der Burzenländer Gemeinde Zeiden in herausragender Art und Weise berücksichtigt. Er beschränkt sich dabei zwar nur auf das 20. Jahrhundert, aber gerade dieser Zeitabschnitt ist der wohl ereignisreichste. Denn in diesem Zeitraum erreichte die siebenbürgische Landwirtschaft, die burzenländische mit eingeschlossen, die höchste Entwicklung und Blüte, sie erlebte aber auch durch die politischen Ereignisse nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Niedergang bis hin zur völligen Zerschlagung.
Das Buch ist nicht als Abfolge chronologisch dargestellter Tatbestände aufgebaut, die beim Lesen eher ermüden würde. Nur ganz grob werden in der Gliederung Zeiträume aufgezeigt, die einschneidende Entwicklungen aufwiesen, wie die Jahre 1918, 1921 und 1944/45 oder 1989. Die insgesamt 122 Kapitel plus Anhang sind themenspezifisch angeordnet, mit besonderem Akzent auf den relevanten Fakten, Ereignissen und Personen. Dadurch wird das Buch lebendig und gut lesbar, manchmal aber auch etwas sprunghaft.
Die ersten Kapitel beschreiben die geschichtlichen, klimatischen und pedo-geografischen Bedingungen des Burzenlandes. Neben schon bekannten und vielfach veröffentlichten Tatsachen wird immer wieder Bezug auf die lokalen Bedingungen in Zeiden genommen. Der Zeidner "Hattert" (deutsch: Gemarkung) als wesentliches Element des siebenbürgisch-sächsischen Selbstverwaltungsprinzips sowie dessen Beschaffenheit werden ebenso wie die administrative Gliederung der Gemeinde Zeiden mit seinen Aufgaben und Einrichtungen bis zum Jahr 1944 ausführlich beschrieben. Die Veränderungen danach waren radikal, alte gefestigte Traditionen wurden abgeschafft, die Sach- und Personalentscheidungen dem Willen der neuen Regierung untergeordnet.
Dem Beruf des Bauern und seiner Ausbildung wird große Aufmerksamkeit gewidmet. Im Burzenland war der Stellenwert des Bauernstandes groß, dementsprechend besuchten zahlreiche Zeidner die Ackerbauschulen in Marienburg oder Mediasch oder nahmen an Weiterbildungsmaßnahmen teil. Die kontinuierliche Weiterbildung trug wesentlich zur aufstrebenden Entwicklung bei.
Der landwirtschaftlichen Produktion werden zahlreiche Kapitel gewidmet. In Zeiden wurde die Fruchtfolgebewirtschaftung frühzeitig eingeführt, mit guten Erfolgen in Ackerbau und Viehzucht. Einbrüche während und nach dem Ersten Weltkrieg konnten durch Umgestaltung der Fruchtfolgen sowie durch Mehreinnahmen bei der Saatzucht und in der Viehwirtschaft wettgemacht werden. Hackfrüchte und Sonderkulturen wurden nicht nur erfolgreich angebaut, sondern auch verarbeitet.
Landwirtschaftliche Urproduktion ist die eine Seite, die andere, genauso wichtige sind die zahlreichen Organisationen, die sich um Vermarktung, Beratung, Finanzierung, Qualitätskontrolle, Maschinenbereitstellung usw. kümmerten. Alle wurden nach dem Selbstverwaltungsprinzip organisiert und geführt. Dieser Bereich wird ausführlich beschrieben, die Organisationen waren im ganzen Burzenland tätig, einige auch nur in Zeiden.
Der Aufschwung währte nicht ewig. Unterbrochen schon durch die Agrarreform von 1921, als große Teile der sächsischen Körperschaftsflächen enteignet wurden, waren die Auswirkungen der Agrarreform von 1945 verheerend: Es gab praktisch keine sächsische Landwirtschaft mehr, in Zeiden ebensowenig wie anderswo. Enteignungsdokumente von Zeidner Bauern beweisen das eindrucksvoll. Was danach kam, betraf Zeiden ebenso wie das gesamte Burzenland, Siebenbürgen und auch ganz Rumänien: die Enteignung von Grund und Boden mit dem gesamten lebenden und toten Kapital, 1952 die Evakuierung, Zwangskollektivierung, Gründung der Staatsfarmen und großen Viehhaltungsbetriebe, totale Gleichschaltung mit nachhaltig negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit und die Effektivität der Landwirtschaft. Die Auswirkungen auf die Lebensmittelversorgung sind vielen von uns noch lebhaft in Erinnerung.
Mit der halbherzigen Bodenreform von 1990 versuchte man den alten Zustand wiederherzustellen. Doch die Wunden sind zu groß, nur zaghaft wird über dem Rahmen einer Subsistenz wirtschaft produziert.
In weiteren Kapiteln des Buches beschreibt Erhard Kraus das bäuerliche Leben in Zeiden mit allen seinen Facetten. Beispiele von typischen Zeidner Bauerhöfen, mit der Beschreibung der Bauweise, der üblichen Ausstattung an Tieren, Geräten und Maschinen, der Folge der landwirtschaftlichen Arbeiten im Jahresablauf, der Vermarktungswege in den zahlreichen Betrieben zur Primärverarbeitung der erzeugten Produkte und den dazu notwendigen Verarbeitungs- und Handwerksbetrieben geben einen guten Überblick zu Struktur und Geschäftigkeit im Leben dieser Gemeinde des Burzenlandes. Die Bauersfrau ist natürlich aus dem landwirtschaftlichen Betrieb nicht wegzudenken. Die ihr traditionell zugedachten Tätigkeiten sind ebenfalls anschaulich dargestellt.
Spezifisch zeidnerisch und von besonderem sprachlichem Reiz sind sächsische Bezeichnungen von bäuerlichen Einrichtungen und Geräten (mit Abbildungen) sowie Flurnamen des Zeidner Hatterts.
Im Anhang werden verschiedene Statuten, Satzungen und Dokumente in Kopie wiedergegeben.
Fazit
Was bleibt noch zu sagen? Ich meine, das Buch von Erhard Kraus ist Pflichtlektüre für jeden Zeidner und für jeden an der Landwirtschaft interessierten Siebenbürger Sachsen.
Aber darüber hinaus sollte dieses Buch auch einem weitaus größeren Leserkreis zugänglich gemacht werden. Es beschreibt nämlich nicht nur faktenreich und detailliert einen Beschäftigungs- und Lebensbereich einer Burzenländer Gemeinde. Es ist mehr als der Titel des Buches aussagt -- eine Darstellung der Landwirtschaft in Zeiden im 20. Jahrhundert --, es ist eine umfassende Monografie eines im Laufe der Jahrhunderte gewachsenen Gemeinwesens, das für alle Gemeinden des Burzenlandes gleichermaßen gilt und vielleicht einzigartig in Europa ist, heute aber viel zu schnell und oberflächlich als überholt dargestellt wird.
Michael Brenndörfer, Darmstadt, im Oktober 2006 .