100 Jahre Zeidner Waldbad - ein Jubiläum der besonderen Art
Der 100. Geburtstag des Zeidner Waldbades war mit ein Grund dafür, die zweite Begegnung in Zeiden in diesem Jahr zu organisieren. Es war für uns ein Herzenswunsch, des 4. Juli 1904 zu gedenken. In Erinnerung an die begeisterten Initiatoren des Verschönerungsvereins wollten wir dieses herausragende Ereignis gebührend feiern. Bereits in der Programmvorbereitung des Vorstandes der Nachbarschaft im April 2004 in Langenburg stand fest, dass die Einweihung des Zeidner Waldbades vor 100 Jahren als ein nicht zu übersehendes Ereignis gewürdigt werden müsse.
Im Vorfeld dieser zweiten Begegnung in Zeiden konnte man schon im April 2004 in Erfahrung bringen, dass das Waldbad, das sich im Sommer 2002 noch in einem erbärmlichen Zustand befand, bereits 2003 den Besitzer gewechselt und unter dem neuen Namen "Carmen Sylva Resort" 2004 ein neues, ansprechendes und kaum für möglich gehaltenes Aussehen erhalten hat.
Da die neuen Besitzer vor Ort, übrigens zwei sympathische, junge Männer aus Zeiden, von dem Vorhaben bzw. der Feierstunde im Waldbad von der Kirchengemeinde und der Nachbarschaft rechtzeitig in Kenntnis gesetzt wurden und sie über den organisatorischen Ablauf informiert werden mussten, fand am Freitag, den 6. August mit ihnen ein von Harmonie und gegenseitigem Respekt geprägtes Vorgespräch statt, an dem u.a. Nachbarvater Udo Buhn und Stadtpfarrer Klaus Martin Untch teilnahmen.
Der anschließende gemeinsame Besuch der von Udo Buhn vorbereiteten Bilderausstellung "100 Jahre Zeidner Waldbad" im Gemeinderaum der Evangelischen Kirche machten den überraschten Neubesitzern deutlich, wieso die Organisatoren dieses Treffens diesem Jubiläum mit berechtigter Freude entgegensahen. Dabei beeindruckten besonders die nostalgischen Schwarz-Weiß-Bilder aus der Vorkriegszeit und die entsprechenden Erläuterungen Buhns.
Am Montag, dem 9. August 2004, frühmorgens hingen tiefe Nebelschwaden über dem Zeidner Berg und es schien, als ob uns das Wetter einen dicken Strich durch unsere Rechnung -- sprich unser Jubiläum -- machen würde. Doch gegen Mittag kam die Sonne durch und wir konnten bei herrlichem Augustwetter und sommerlichen Badetemperaturen den Weg ins Zeidner Waldbad antreten. Einige suchten den Weg ins Waldbad über den beschwerlichen und leider sehr schlecht gekennzeichneten Weg "um den Zeidner Berg", andere wählten bewusst den einfacheren und verkürzten Weg "dujch dan Basch" oder fuhren mit dem Auto. Als dann der Reisebus mit den Musikanten der Zeidner Blaskapelle unter frenetischem Applaus der bereits Anwesenden im Waldbad eintraf und die mitgebrachten Instrumente in der Hitze dieses Nachmittags im Sonnenschein glänzten, war für viele der Besucher klar, dass dies ein ganz besonderer Tag werden würde.
Natürlich waren wir alle sehr neugierig, wie "unser" Waldbad -- ich muss es einfach so nennen -- nach der Übernahme durch die neuen Besitzer aussehen würde. Und ich muss ehrlich gestehen, die meisten von uns staunten nicht schlecht, als sie das Waldbad mit einem neuen, sehr erfrischenden Antlitz vorfanden (weitere Bilder zeidner gruss, S. 5). Ein überholtes, sauberes Waldbad mit einem sichtlich reinen Schwimmbecken, mit einer ansprechenden, gepflegten, grünen Liegewiese, eine Terrasse mit rustikalen Sitzgelegenheiten aus massivem Holz und bunten "red bull"-Sonnenschirmen fanden wir ebenso vor, wie geöffnete Verkaufsstände, einen schattigen und "einfallsreichen" Kinderspielplatz und blank geputzte Sonnenbretter sowohl um das Becken als auch am See. Junges und sehr freundliches Verkaufspersonal mit imponierendem Arbeitseifer rundete den durch Privatinitiative und ein bisschen Fantasie geprägten positiven Ersteindruck ab.
Die Vorzeichen für diesen Nachmittag waren also günstiger, als wir sie erwartet hatten. Die gute Laune der Besucher ließ eine ungewöhnlich euphorische Stimmung aufkommen, die ich so nicht erwartet hatte. Wer in dieser Phase der Zusammenkunft großen Reden mit Pathos und Wehmut erwartet hatte, wurde enttäuscht. Eine Festrede, wie vielleicht sonst für ein 100-jähriges Jubiläum üblich, war -- der Zeit entsprechend und wohl auch aus Rücksicht auf die neuen Besitzer -- gar nicht geplant. Manch einer hätte sicher gerne den Worten eines Vertreters der politischen Gemeinde Zeiden gelauscht, um vielleicht "zwischen den Zeilen" das eine oder andere Eingeständnis zu vernehmen. Doch auch hier wurde vermieden, des 4. Juli 1904 von offi zieller Seite zu gedenken. Übrigens hatte damals am Gründungstag auch ein Rumäne, Gheorghe Adam, teilgenommen.
Nachbarvater Udo Buhn begrüßte die Besucher und Gäste, unter anderem auch den zweiten Bürgermeister Zeidens, Dragu Bucur, ganz herzlich und erinnerte zweisprachig kurz an die Gründung des Waldbades. Prägnante Daten von Umbau und Entwicklung des Waldbades wurden hervorgehoben. Mit dem aufrichtigen Dank an die Besitzer für die erwiesene Gastfreundschaft leitete der Nachbarvater anschließend über zum gemütlichen Teil dieser Zusammenkunft. Zur Erinnerung an die Gründung vor 100 Jahren und an den heutigen Tag überreichte Udo Buhn einem der beiden Besitzer, Marius Pavel, ein Bild des Einweihungssteines von 1904, der erst kürzlich in der Remise der Feuerwehr in Zeiden gefunden worden war. Heute wird er im Kirchenkastell aufbewahrt, seinen endgültigen Platz soll er im zukünftigen Museum erhalten (siehe auch Bericht im zeidner gruss Nr. 97, S. 28).
Pfarrer Hans Martin Untch richtete ebenfalls zweisprachig Grußworte an die Verantwortlichen der Zeidner Nachbarschaft, an die Mitglieder der Blaskapelle, die Besucher und die anwesenden Gäste und wünschte allen ein gemütliches Beisammensein.
Die Ausstellung mit Bildern zum Waldbad wartete mit zum Teil bisher nur selten veröffentlichten und bekannten Bildern auf. Die Exponate wurden übrigens vom Gemeinderaum der Kirche ins Waldbad mittransportiert und fanden hier die berechtigte Beachtung.
Die Tatsache, dass die neuen Besitzer aus Rücksicht auf die "geschlossene Gesellschaft" und dieses "Jubiläum" das Waldbad an diesem Tag für den öffentlichen Badebesuch geschlossen hielten, ließ interessante Begegnungen, auf die der eine oder andere sich bewusst gefreut hatte, in vertrautem Kreis zu. Erinnerungen und Erlebnisse vergangener Jahre wurden ausgetauscht. Der zunehmende Lärmpegel und die sichtbar zufriedenen Besucher auf der Terrasse machten deutlich, dass sich dieser Nachmittag hervorragend dazu eignete, miteinander zu reden und sich bewusst gegenseitig wahrzunehmen.
Die Blaskapelle unter der Leitung von Dirigent Brunolf Kaufmann, die bei diesem mehrtägigen Treffen ihr Soll längst übererfüllt und ihr Können wie ihr breit gefächertes Repertoire unter Beweis gestellt hatte, versuchte immer wieder, mit vertrauten Klängen diesen Pegel zu durchbrechen. Zur Freude aller Blasmusikfreunde setzte der so in bewährter Weise umrahmte Nachmittag der Begegnung damit das I-Tüpfelchen auf.
Beim Schwimmen im 18 Grad kalten Wasser erinnerten sich die "Wasserratten" an glückliche Kindheitstage, an besondere Erlebnisse, z.B. ans Nacktbaden bei Mondschein, an besonders gewagte Sprünge vom Sprungturm und besondere Rituale. Jedem fiel spontan etwas ein, die Vergangenheit schien uns einzuholen und wir erkannten, dass diese ausgelassene Stimmung vielleicht in dieser Form nie wieder auftreten wird. Trotz der zwiespältigen Gefühle bin ich froh, das so noch einmal miterlebt zu haben.
Es gab ein paar organisatorische Schwierigkeiten bei der Versorgung der Gäste, da die Betreiber wohl nicht mit dem Ansturm so vieler Gäste gerechnet hatten. Doch wir ließen uns dadurch die gute Laune nicht nehmen und sorgten mit witzigen Bemerkungen zum "in der Reihe stehen" für Kurzweil.
Organist Klaus Dieter Untch hatte für 18 Uhr zum Orgelkonzert mit Familie Halmen aus Schässburg in die Kirche eingeladen. Viele sprachen bewusst an, mit welchen Emotionen und Gefühlen sie den Nachhauseweg antreten werden.
Trotz der allgemeinen Fröhlichkeit erinnerten wir uns auch unserer Vorfahren. Dadurch wurde auch mir erst bewusst, dass ich diesen 9. August 2004 im Kreis einer vielleicht noch stärker gefestigten Gemeinschaft der Zeidner im Waldbad verbracht habe, auch wenn es nur einige Stunden waren.
Wir freuen uns, "das Bad an der Felsenquelle des Goldbaches" in einem ordentlichen Zustand angetroffen und diesen besonderen Tag so erlebt zu haben. Die unbeirrbaren Gründungsväter von 1904 um den damaligen Vorstand des Verschönerungsvereins, Prediger Thomas Dück, hatten den Namen des Bades so gewählt, dass er nicht mehr verspricht, als er letztendlich halten kann. Diesem Wunsch wird "unser" Waldbad beim Jubiläum in vielerlei Hinsicht wieder gerecht. Seine jetzigen, sehr umsichtigen Besitzer haben damit für uns alle eine Brücke zu den Ereignissen am 4. Juli 1904 geschlagen.
Mit weiterem finanziellem Aufwand und dem ständigen Bestreben, den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden und einem an die Natur angepassten Maß an Fantasie kann das "wohl schönstgelegene Freibad des Burzenlandes" wieder zu dem attraktiven Ort der Erholung und Freizeitgestaltung werden, der es in der Zeit nach der Gründung vor 100 Jahren war. Das wünsche ich von Herzen allen sächsischen und rumänischen Bewohnern von Zeiden.
Helmuth Mieskes, Böbingen