Zeidner Treffen in Kirchberg an der Murr
Im Sommer 1991 besuchte Erwin Eiwen, ehemals Marktgasse, meine Eltern in Kirchberg. Zum Kaffee setzte ich mich auch dazu. Erwin erzählte, dass er manchmal nachts nicht schlafen könne. In Gedanken habe er alle Zeidner Familien zusammen gezählt, welche in Stuttgart und der näheren Umgebung wohnen. Spontan sagte ich zu ihm, er solle doch die Namen und Anschriften dieser Familien aufschreiben. Man könnte sich doch mal zu einem gemütlichen Beisammensein treffen. Die Idee eines Treffens aller Zeidner im Großraum Stuttgart war geboren.
Mein Vater Gotthelf Zell griff meine Anregung auf, führte in den nächsten Wochen einige Telefonate, schrieb auch Briefe und innerhalb kurzer Zeit hatten wir eine lange Adressliste der Zeidner aus Stuttgart sowie den umliegenden Landkreisen zusammen getragen: Ludwigsburg, Heilbronn, Waiblingen, Aalen, Esslingen, Böblingen, Sindelfingen und Pforzheim. Sie umfasste die Namen und Anschriften von ca. 230 Familien.
Der Termin für das erste Treffen war bald festgelegt, der Veranstaltungsort auch. Im Januar 1992 verschickten wir die schriftlichen Einladungen und baten um eine Rückmeldung bzw. eine Anmeldung. In den nächsten Wochen kamen täglich Briefe und auch telefonische Anmeldungen. Über 600 Personen, davon über 100 Kinder meldeten sich zu diesem ersten Treffen in Kirchberg an der Murr an.
Am Samstag, dem 14. März 1992 war es soweit. Wir hatten für diesen Tag die Gemeindehalle gemietet. Morgens um neun Uhr wurden Stühle und Tische aufgestellt, die kroatische Wirtin bereitete Speis und Trank vor. Am späten Vormittag trafen die Mitglieder der Zeidner Blaskappelle ein, um eine Probe abzuhalten. Einige Wochen davor hatte sich die Kappelle, nach ihrer Auflösung 1989 in Zeiden, im Kirchberger Musikerheim neu gegründet.
Um 14 Uhr begehrten die ersten Gäste Einlass. Innerhalb einer Stunde waren die Gemeindehalle und die zwei Nebenräume bis zum letzten Platz belegt. Die zuletzt Gekommenen mussten sich mit Stehplätzen begnügen. Begrüßung, Händeschütteln - es trafen sich Verwandte, Freunde, Nachbarn, Bekannte - das Fragen nahm kein Ende.
Die Blaskapelle leitete mit dem "Seminaristenmarsch" von Martin Thiess die Begegnung festlich ein. Waltraut Tschurl geb. Zell hieß alle Anwesenden, alt und jung, herzlich willkommen und begrüßte als Ehrengäste den Bürgermeister der Gemeinde Kirchberg sowie den evangelischen Pfarrer. Nachbarvater Volkmar Kraus begrüßte die Nachbarinnen und Nachbarn und lud sie alle herzlich zum 14. Zeidner Nachbarschaftstreffen im Juni nach Kufstein ein. Auch der Männerchor, dirigiert von Sigrid Wagner, das Gitarrenkränzchen, geleitet von Effi Kaufmes, und ein Bläserterzett trugen dazu bei, diesen Tag besonders schön zu gestalten.
Das gesellige Beisammensein erinnerte uns an die Feste in der Heimat. Alle Anwesenden fühlten sich wohl, waren fröhlich und bedauerten, dass die Zeit so schnell verging. 22.00 Uhr endete die Begegnung. Die Gäste fuhren nach Hause. Das Organisationsteam räumte die Halle auf und gegen Mitternacht war auch für sie Feierabend.
Im Jahre 1993 fand das 2. Treffen Ende September statt. Diesmal nahmen etwa 500 Personen teil, davon 75 Kinder. Die Blaskappelle etablierte sich als fester Bestandteil der Veranstaltung. Drei bis vier Stunden spielte sie aus ihrem umfangreichen Repertoire Märsche, Walzer, Polkas sowie Potpourris und Konzertstücke.
Nach der Kaffeepause folgten musikalische Darbietungen des Gitarrenkränzchens. Es waren beliebte Heimatklänge wie "Grüße mir Zeiden" von Rudi Klusch und "Silberfäden" von Grete Lienerth. Auch dieses Treffen fand spätabends seinen Ausklang.
Im darauf folgenden Jahr nahmen etwa 400 Personen am Treffen teil, davon 75 Kinder. Diese Begegnung hatte einen ähnlichen Verlauf wie die beiden vorhergehenden Treffen. Waltraut Tschurl begrüßte diesmal als Ehrengäste den neuen Bürgermeister von Kirchberg sowie den neuen evangelischen Pfarrer.
Im zweiten Teil der Veranstaltung machte Brunolf Kaufmann auf der elektronischen Orgel Unterhaltungsmusik. Schließlich schob man sogar einige Tische beiseite und das Tanzbein wurde geschwungen.
Etwa 300 Gäste, davon 50 Kinder kamen im Jahre 1995 nach Kirchberg. In den darauf folgenden Jahren 1996 und 1997 waren es jeweils 200 Personen, davon 25 Kinder.
Im Jahre 1998 fiel das Treffen aus, da in diesem Jahr das große Zeidner Nachbarschaftstreffen stattfand. Viele Teilnehmer hatten sich dahingehend geäußert, dass zwei Treffen im selben Jahr (Regionaltreffen und Nachbarschaftstreffen) zu viel seien. Die Mitglieder der Blaskapelle sahen das ebenso, da eine Vielzahl von Veranstaltungen auch ein Mehr an Proben bedeutete.
1999 kamen wieder etwa 200 Zeidnerinnen und Zeidner nach Kirchberg, davon 25 Kinder. Man konnte sich gut unterhalten, Erinnerungen aus der alten Heimat auffrischen, manches zur eigenen Integration in der Bundesrepublik berichten. Diesmal wurden alle Gäste von Heidrun Martini begrüßt und aufs herzlichste willkommen geheißen. Auch Hannelore Scheiber begrüßte die Anwesenden und überbrachte Grüße vom Vorstand der Zeidner Nachbarschaft. Die Blaskapelle mit ihrem neuen Kapellmeister Brunolf Kaufmann spielte neue und altbekannte Musikstücke, welche von den Anwesenden mit reichlichem Applaus bedacht wurden.
Im Jahre 2000 fand das achte und vorerst letzte Treffen in Kirchberg statt. Nur 160 Personen folgten diesmal der Einladung, davon 15 Kinder. Selber konnte ich am Treffen nicht teilnehmen -weil mein Töchterchen Mirjam erst 19 Tage alt war.
Die Teilnehmerzahl sank im Verlauf der Jahre von anfangs 600 Teilnehmern beim ersten Treffen im Jahre 1992 auf 160 Teilnehmer beim vorerst letzten Treffen im Jahre 2000. Gerade die heute 35 bis 50jährigen blieben der Begegnung fern. Was mögen die Gründe dafür sein?
Seit der Wende 1989 und der Aussiedlung aus Rumänien sind mittlerweile 13 Jahre vergangen. Wir haben uns in die bundesdeutsche Gesellschaft integriert. Wir sind Mitglieder in den Vereinen an unserem neuen Wohnsitz geworden. Da werden die Prioritäten schon mal anders gesetzt, wenn der Sohn ein wichtiges Fußballspiel hat oder die Tochter mit dem Turnverein zu einer Wettkampfveranstaltung fährt.
Einerseits ist es gut, das gerade die Jüngeren offensichtlich nicht mehr das Bedürfnis haben, regelmäßig Heimattreffen zu besuchen. Man fährt dann wohl eher alle drei Jahre zum großen Zeidner Nachbarschaftstreffen.
Andererseits werden wohl die Älteren dieses gemütliche Beisammensein missen. Viele Zeidnerinnen und Zeidner äußerten sich dahingehend, dass ein eintägiges Treffen, wie eben in Kirchberg nicht so anstrengend sei wie das viertägige große Nachbarschaftstreffen. Und außerdem könne man Abends wieder nach Hause fahren.
Wer möchte diese, von vielen liebgewonnene Tradition fortführen? Man muss sich natürlich Gedanken machen, welchen Rahmen man diesem Regionaltreffen der Zeidnerinnen und Zeidner in Stuttgart und Umgebung in Zukunft geben kann. Da kein Mitglied der Familie Zell mehr in Kirchberg an der Murr wohnt, entfällt wohl diese Gemeinde als Veranstaltungsort. Vielleicht Ludwigsburg, wo in diesem Jahr das große Nachbarschaftstreffen stattfindet?
Rüdiger Zell
Illertissen, März 2003