10/01/18

Ausstellungseröffnung anlässlich des großen Zeidner Treffens in Dinkelsbühl

Am zweiten Tag des Treffens würdigte Renate Kaiser die drei Künstler, die diesmal die Kunstausstellung mit ihren Werken gestalteten. Hier nun der Wortlaut ihrer Rede:

Prof. PETER JACOBI

Meine erste Begegnung mit Ihren Kirchenburgen, sehr geehrter Herr Prof. Jacobi, war vor einigen Jahren hier in Dinkelsbühl beim Heimattag. Unwillkürlich fiel mir die „Siebenbürgische Elegie“ ein: „Und zögernd bröckelt der Stein...“ Zögernd? Und siebenbürgische Ewigkeit? Oh nein! Die Zeit – und die allgegenwärtige Vergänglichkeit waren mir sehr wohl bewusst – wie jedem Betrachter dieser Bilder;  und wohl ganz besonders uns Siebenbürgern. Danach besuchte ich Ihre Ausstellung in München, im Gasteig, führte auch Freunde und Kollegen hin; vor Kurzem dann bei Otto Scherer in Stoffen bei Landsberg und jetzt hier. Und ich empfinde Ihre Bilder immer intensiver.

Jacobis Kirchenburgen wühlen uns auf, machen uns betroffen, wir haben ein schlechtes Gewissen. Mit nichts identifizieren wir uns mehr als mit unseren Kirchenburgen, die unsere Vorfahren vor mehr als 800 Jahren bauten und Jahrhunderte lang bewahrten.

Und nun dieser Zustand! Sind sie nur noch Gedenkstätten? Stellt der Künstler das Nachdenken über unsere Geschichte, über unser Schicksal in den Mittelpunkt seiner Arbeit? - Es sind Trümmerberge der Zeit, sichtbare Zeichen unseres Fortgangs, unseres Aufgebens, des Verfalls. Verfall aber erinnert auch an inzwischen unsichtbare Großartigkeit, an die Zeit von früher – von heute – auch von morgen?

Prof. Peter Jacobi, der studierte Künstler, hat ein sehr gutes Auge für all das Schöne – auch für die tragische Schönheit der Ruine. Mit verstehendem, wissendem , sensiblem Blick findet er die richtige Perspektive , die einzelnen Facetten… Er weiß, welche Details er ins besondere Licht rücken soll. Und neben dem künstlerischen Wert der Fotografie schätzen wir sehr wohl auch den dokumentarischen. Jacobi hat den Ist-Zustand unserer Kirchenburgen fotografiert.

Dieser Aufgabe hat er sich mit ungeheurem Willen gestellt. Von 2004 bis 2006 und auch später noch 

 hat er 210 Bauten fotografiert, dafür mehrere Tausend km zurück gelegt auf zum Teil schlechten Straßen und Wegen; bei Hitze und Kälte. „Was hat Sie dazu bewogen?“ „Es war, glaube ich, eine positive Besessenheit, die mich auf morschen Treppen baufällige Türme besteigen ließ. Die Frage des Warum hat sich nicht stellen müssen. Ich tat es einfach, und eine innere Kraft trieb mich immer weiter. 2007 stellte ich meine Fotografien in Hermannstadt aus. Die haben dann wohl mit dazu beigetragen, - zur Initiative - dieses unser großartiges Kulturgut von der UNESCO  auf ihre Liste aufgenommen zu werden, d.h. zu restaurieren. 8 Millionen Euro kamen von der EU. Mehrere Privatpersonen setzten sich ein, sammelten Geld, Fachleute und Handwerker engagierten sich ...So konnte der Zustand einiger Kirchenburgen verbessert werden. VIEL ist noch zu tun!

Einige Eckdaten zu Jacobi: Geboren in Ploiesti, wo sich sein Vater berufsbedingt aufhielt, dann Bukarest, Tartlau, auch ein Jahr in Zeiden. 1955-61 studierte er an der Kunstakademie in Bukarest.

1971 kam er nach Deutschland und war von 1971-98 Professor an der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim.

Pläne? Er will sein Werkverzeichnis beenden. Jacobi ist auch ein bedeutender Bildhauer. Er arbeitet an einem „Gedenkpavillion“ für Brukenthal anlässlich der 100-Jahr-Feier des Anschlusses Siebenbürgens an Rumänien.

„Ich bin ein Kriegskind und das Wichtigste seit 35 Jahren ist für mich das Erstellen von Gedenkskulpturen von Opfern aller Art, die gegen jede Form von Ungerechtigkeit gekämpft haben: ob Nationalsozialismus oder Kommunismus … um die Erinnerung an sie nicht verblassen zu lassen. Mein Buch „Bilder einer Reise 2“ ist ein gleichwertiges Gedenkkunstwerk zu meinen Skulpturen.“

DIETER JOSEF

Schon vor dem Krieg hatte sich der Zeidner Arnold Josef um kaputte Traktoren gekümmert, und zwar im kleinen Scherding am Inn in Oberösterreich, wo sich später kriegsbedingt über 40.000 Flüchtlinge aufhielten. Darunter entdeckte er die hübsche Donauschwäbin Maria und 1952 kam unser Künstler Dieter zur Welt. Nein; noch hielt er keine Zeichenfeder und noch keinen Fotoapparat in den Händen. Das kam erst später – aber andauernd.

Dieters Bezug zu Zeiden? ...hauptsächlich die Erzählungen seiner Eltern über irgend welche Tanten und Onkels, die auf der Durchreise in oder aus der alten Heimat bei ihnen übernachteten. Dazu zwei Reisen nach Siebenbürgen und der Briefwechsel zwischen ihm und Baldi oder Friedel Herter.

Dieter studierte Graphik an den Kunstakademien zu Linz, Warschau und Tokio. Sprachen? Für ihn nur ein kleines Problem. Die lernte er halt! Danach arbeitete er in einem Verlag; hauptsächlich in der Buchgestaltung. Das Ergebnis waren wunderbare Bildbände über Korea, Mexiko, Wien, Japan… Sein künstlerisches Motto kommt aus der japanischen Zen-Philosophie: „Nichts bleibt, nichts ist abgeschlossen, nichts ist perfekt.“

Auf seinen Reisen um den Globus war er ständig bereit für Momentaufnahmen, welche er später in seinem Atelier verwendete. 

Er hat in 50 Ländern ausgestellt. Übrigens: Dieter und Horst Josef (der beim vorigen Treffen der Zeidner ebenfall hier seine Bilder gezeigt hat), werden im Mai 2.019 in Hermannstadt und in Kronstadt eine gemeinsame Ausstellung präsentieren. Viel Erfolg!

Fleißig? „Ja! Ich bin wie ein Missionar des Steindrucks durch die Welt getingelt!“

Zu deinem Werk? „Können, Sensibilität, harte körperliche Arbeit und die Qualität der Tradition fließen mit der Moderne in der Graphik zusammen.“ 

Und was ist das Moderne an Dieter Josefs Kunst? Er kombiniert gezielt mehrere technische Möglichkeiten wie auch verschiedene Motive von seinen Reisen aus aller Welt.

Das Resultat? Seine phantastischen Litographien , zum Teil Gedankencollagen mit verschiedenen Farben und Formen… und wenn wir genau aufpassen: Vielleicht spüren wir gar Düfte oder Geräusche? Ein diffuses Bild in unserem Hirn, in unserer Erinnerung, in unserer Seele! Wir Betrachter erkennen nicht gleich den Inhalt des Bildes. Wir erfragen den gedanklichen Hintergrund, z.B. zu dem betreffenden Land, in dem es entstanden ist… wir lesen den Titel… wir empfinden etwas, verstehen einiges … das Bild spricht uns an… oder auch gar nicht...Das darf sein in der Kunst.

Auf seinen weltweiten Reisen dokumentiert Dieter Josef mit seiner Kamera das bunte Leben . Diese multikulturellen Einflüsse verwendet er in seiner Kunst, überlagert die Bilder oder verfremdet sie, vermischt Techniken ...druckt Formen ineinander. Dadurch erzielt er magische Effekte, optische Strukturen, so dass neue poetische Mehrfachbilder entstehen – jenseits der einzelnen Kulturen. 

Mögen diese grenzüberschreitenden Eindrücke und Botschaften bei uns ankommen.

OTTO SCHERER

gehört zu den modernen Künstlern.

1955 kommt er in Martinsberg zur Welt, besucht in Zeiden das Gymnasium, arbeitet danach in einem kunsthandwerklichen Betrieb in Kronstadt und entschließt sich, mehr aus seiner Kunst zu machen. Von 1976 bis 1983 besucht er die Volkskunstschule in Kronstadt, Fachklassen Grafik, Malerei und Bildhauerei. Zusätzlich erhält er noch Privatunterricht. "Ich hatte sehr gute Lehrer", darunter Caspar Teutsch.

1989 kommt er nach Deutschland und lässt sich in Landsberg nieder. Schon zwei Jahre später ist er freischaffender Künstler und im Besitz einer eigenen Werkstatt sowie Mitglied in verschiedenen Vereinen. 2015 gründet er zusammen mit seiner Frau Monica die Galerie „Kunstraum Stoffen“. Hier organisiert er vier Ausstellungen im Jahr.

Seine Farben: vor allem leuchtendes Selenrot, tiefes Schwarz, Gold und Platin.

Sein Material: hauptsächlich Keramik mit perfekt leuchtender Oberfläche, Metall und Acryl.

Seine Themen: Variationen von Grundformen (Quadrat, Kugel, Zylinder und Kreuz – nicht religiös)

Scherer ist ein Mathematiker unter den Künstlern („… die reine Schönheit der geometrischen Form“) und ein absoluter Minimalist. Radikal reduziert er das ursprüngliche Objekt bis zum geometrischen Körper, der jedoch nicht einfach, sondern durchaus komplex ist.

Er nimmt sich für ein Jahr eine Grundform vor und arbeitet konsequent daran; z.B. die Kugel. In unserer Ausstellung zeigt er Skulpturen zum Thema Quadrat, resp. Würfel. „Was willst du mit diesen Würfeln aussagen?“ Scherers Antwort: „Nichts. Ein Würfel ist ein Würfel und sonst nichts.“ Immerhin gibt er seinen Arbeiten geistreiche oder humorvolle Namen: „Die schizophrene Kugel“, „Die Geburt eines Würfels“, „Narziss“…

Auch spielt er mit optischen Effekten, mit Spiegelungen oder Täuschungen und manipuliert so die Wahrnehmung des Betrachters.

Ein weiteres Thema Scherers sind Hommagen an moderne Künstler. Ich erwähne hier eine Hommage an Constantin Brancusi, dessen „Unendliche Säule“  („Coloana infinita“), sehr ästhetisch wirkende, auf einander  gestapelte Plexiglaswürfel. Es ist mein bevorzugtes Objekt des Künstlers.

Für diese Ausstellung hat er sich die Grundform Quadrat und dem daraus abgeleiteten Würfel entschieden. Der Würfel ermöglicht in spielerischer Leichtigkeit endlose Variationen der Gestaltung.Die Seitenflächen sind verwandelbar. Auch spielt Scherer mit den optischen wie  auch mit den haptischen Eigenschaften der verschiedenen Materialien.

Viele Preise, viele Ausstellungen … von Stoffen bis Washington beweisen die hohe Qualität seiner Objekte.

Renate Kaiser