Berührendes Wiederentdecken

Sind es die vielen Jahre des Verlangens die deine Heimat noch viel schöner wirken lassen, als du sie in Erinnerung hast? Oder ist es diese tiefe Sehnsucht in deinem Herzen die alles so erstrahlen lässt, dass du fast zu atmen vergisst?
Nun, ich denke für jeden hat das Heimatbild eine andere Bedeutung, jeder sieht und fühlt anders.
Für mich, die 20 Jahre nicht mehr „zu Hause“ war, wurde dieser dreiwöchige Urlaub zu einer richtigen Sinnesexplosion.
Jede Minute, die ich dort verbringen durfte war kostbar. Eine gewisse Aufregung etwas nicht gesehen oder versäumt zu haben, legte sich wie ein feiner Film auf meinen Körper. Diesem schien sogar die unwahrscheinliche Hitze nichts auszumachen, denn ruhelos wie er war, trieb es ihn förmlich von Ort zu Ort, Straße zu Straße und in die wunderbare Natur.
Wie ein Schwamm habe ich alles um mich herum aufgesogen um dann triefend voll mit Glückserlebnissen, erfüllt und glücklich in meine jetzige Heimat zurück zu kehren.
Erstaunt nahm ich nach und nach viel Positives, aber auch einige Schattenseiten wahr. Viele verlassene Häuser, die fast menschenleeren Straßen, verbaute Flächen wo früher saftiges Grün sich an Wiesen und Hügel schmiegte, wo bunte Wiesenblumen blühten und die Natur noch unberührt zu sein schien. Oder war es nur in meiner Erinnerung so?
Die Zeit ist auch hier nicht stehen geblieben, man kann alles kaufen, wenn man das nötige Kleingeld dafür hat, Essen gehen vom Feinsten und an Freizeitaktivitäten hapert es auch nicht.
Doch wo sind nur die vielen bekannten Gesichter, denen du immer und immer wieder begegnet bist, die dich viele Jahre einfach nur „begleitet“ haben – Verwandte, Freunde, Bekannte, geblieben?
Ich habe diese Menschen gesucht, mit meinen Augen, dem Herzen … immer in der Hoffnung vielleicht doch „Jemanden“ zu treffen, den ich wirklich kenne, den ich einfach umarmen könnte.
Und Nein, ich habe keinen Bekannten gesehen – und trotzdem bin ich ihnen gedanklich begegnet.
Kann man das wirklich? Ich glaube schon, das innere Auge funktioniert ganz gut, wenn man es nur aktiviert …
Und es geht noch mehr – du siehst dich als Kind in die Schule gehen, als Jugendliche auf dem Gymnasium, Schulfest, Theaterbesuche, Tanzgruppe, Mädchensingkreis, Baden im Waldbad, Schlittenfahrten mit Freunden, Skifahren auf dem Bergelchen, die unendlich vielen unbeschwerten Partys, Silvesterfeiern, Spaziergänge in der Natur usw. All dies wird besonders präsent, wenn man am Ort der früheren Erlebnisse weilt. Keinen Tag, keine Minute möchte ich davon missen, auch wenn ich in meiner jetzigen Heimat einen neuen Ort der Geborgenheit gefunden habe.

In meinem Herzen vereine ich mit großer Dankbarkeit beide Orte, denke mit Ehrfurcht an das DAMALS und genieße mit Freuden das HEUTE. Doch ein Teil von mir wird immer in der alten Heimat bleiben.

©Heidenore Glatz