11/28/22
„Dár Kåppákratzár“ von Michael Königes „neuentdeckt“
Unser aufmerksame Leser Klaus Göbbel entdeckte im Zeidner Gruß Nr. 132 unser Missgeschick; wir hatten nicht das Original Gedicht von Michael Königes zum Transkribieren erhalten, sondern ein handschriftlich verändertes Manuskript. Gudrun und Theo Kloos sendeten mir umgehend das Original mit der schönen alten deutschen Handschrift, besser bekannt als deutsche Kurrentschrift ( https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Kurrentschrift ).
Mit Hilfe der neuen App „Zeidner Wortschatz“ von Ralf Kahler war das Transkribieren des Textes ein interessantes Unterfangen. Ich habe alle Satzzeichen des handschriftlichen Gedichtes übernommen.
Viel Spaß beim Lesen wünscht Euch Johannes Gross.
Damit wir die Zeidner Mundart schreiben und lesen können, hat Hans Wenzel den Zeidner Wortschatz erschaffen, und dabei eine Lautschrift verwendet, die sich an der Teuthonista Lautschrift für deutsche Dialektologie orientiert.
Wir verdanken Ralf Kahler, dass das Erbe seines Onkels nicht in Vergessenheit gerät, sondern immer weiter perfektioniert wird.
In der ersten Spalte stehen die verwendeten Zeichen der Lautschrift, in der zweiten steht eine Erklärung oder Bezeichnung des Zeichens, in der dritten stehen dazugehörige Beispiele in Deutsch, in der vierten dazugehörige Beispiele aus der Zeidner Mundart:
Gr. | Kl. | Hinweis | Deutsch | Zeidnerisch |
---|---|---|---|---|
A | a | mittelhell | Abend, Rad | af, kam |
Å | å | sehr hell | Aida, Mai | åm, Bået |
Á | á | Murmellaut | machen, Besen | alláguár, ásofált |
Åo | åo | au-Diphtong | Haus, laufen | gåonán, kåonán |
Åu | åu | mit deutlichem u | Trauung | gåung, áråum |
E | e | immer hell | Esel, Regie | Wen, Spen |
J | j | J-Laut | Jäger, gejagt | weján, wiáján |
J | j | stimmhaft sch-Laut | Jalousie, Journal | Jandar, Gájubár |
Ch | ch | weich | Chemie, weich | ech, woich |
Ch | ch | rauh | suche, auch | Breách, náuch |
Gh | gh | stimmhaft | zwischen lagen und lachen | leåghán, Kraghán |
Dár Kåppákratzár vum Keánágás Måechál | Dár Kåppákratzár (Der Schornsteinfeger) von Michael Königes |
Vum Koáálábårchwårk zár Station | Vom Kohlebergwerk zur Station |
Diá goeát án Driátsoáeálbuhn. Ánd doi dá koán | Da geht ´ne Drahtseilbahn. Und der der kann |
Doi satzt gátreist sech an dá Koáárf ánd fiárt - | Der setzt getrost sich in den Korb und fährt - |
Wiá Schnoi och Muár dát Gián am Wiech árschwiárt. | Wo Schnee und Schlamm das Geh´n im Weg erschwert. |
Åm Foåld láoet Schnoi. Dár Wåend blaoást åisech käolt. | Im Feld liegt Schnee. Der Wind bläst eisig kalt. |
Dár Wåentár hårrscht måt greámejár Gáwäoult! | Der Winter herrscht mit grimmiger Gewalt. |
Dár Kåppákratzár håt dán Dänst báoáend . . . | Der Kåppákratzár hat den Dienst beend´ . . . |
Doch båem „Halflitár“ zuch hoi´t an dá Loáent | Doch beim Halbliter zog er´s in die Läng |
Dár Woirt sáuch un dá Ståund . . . „Såue moåessán ellán, | Der Wirt schaut auf die Uhr . . . „Sie müssen eilen, |
Hårr Kåppákratzár - wán såue leángár wellán, | Herr Kåppákratzár – wenn sie länger weilen |
Vársoáemá såue dán Uschlaß un dá Buhn . . . | Versäumen sie den Anschluss an die Bahn . . . |
Ándschåoldecht Hårr, - dat ech dá Sarech hun.“ | Endschuldigt Herr, - dass ich die Sorge hab.“ |
Dár Kåppákratzár hoirt dán geadán Riát. | Der Kåppákratzár hört den guten Rat. |
Nom sech dá Baisám och dán krammán Driát, | Nimmt sich den Besen und den krummen Draht. |
Låef schnåell zár Driátsoáeálbuhn - stich af´t Gárast . . . | Lief schnell zur Drahtseilbahn – stieg auf´s Gerüst . . . |
Hecht schnåell sech ån dá Koáárf, wåe ån án Nåst . . . | Hecht schnell sich in den Korb, wie in ein Nest . . . |
Doch net af Áoechár wåe án gráiß Kartschunn | Doch nicht auf Eier wie ´ne große Pute |
Hoi säuáß af Koáálán - blausch språcht ám „cărbuni“ . . . | Er saß auf Kohlen – rumänisch sprich „cărbune“ |
Fåor zwaschán Iárdán dåef och Heámmál hái - | Weit zwischen Erden tief und Himmel hoch - |
Dát Ziel as fåor, doch se´ Gámoaet weoás frái. – | Das Ziel ist weit, doch sein Gemüt war froh. – |
Åm Foåld láoet Schnoi, dár Wåend blaoást åisech käolt | Im Feld liegt Schnee. Der Wind bläst eisig kalt. |
Dár Wåentár hårrscht måt greámejár Gáwäoult! | Der Winter herrscht mit grimmiger Gewalt. |
Dá Koåldán droiánt duch Laudár och duch Zadárn. | Die Kälte dringt durch Leder und durch Lumpen. |
Eám fåuát dár Zoáendárlák scháin un zá schnaddárn . . . | Ihm fing´s Gebiss schon an zu schnadern . . . |
Dár Koáárf doi roackt nur heåmlech vun dár Ståuál . . . | Der Korb der rückt nur langsam von der Stell´ . . . |
Euås Kåppákratzár woånscht sech an dá Håoll. | Unser Kåppákratzár wünscht sich in die Höll´. |
Dån - Reåuß och Rouch, däot as sen Elemånt. | Denn – Ruß und Rauch, dass ist sein Element. |
(Dá Koåldán broángt dá Måenschán af dán Hånd.) | (Die Kälte bringt den Menschen an sein End.) |
Vum Frost gáscheárált glotzt hoi an dá Mián . . . | Vom Frost geschüttelt glotzt er in den Mond . . . |
„Ach Hårr Gäott half!“. . . dát Werkál däot - bliw stiáhn. | „Ach Herr Gott hilf !“ das Werk´l dass – blieb stohn. |
Ánd zwåschán Iárdán dåef, och Heámmál hái, | Und zwischen Erden tief, und Himmel hoch, |
Várlur eaus Pasajoiár ´t Gámoat - däot frái . . . | Verlor unser Passagier ´s Gemüt – dass froh . . . |
Krisch äis Várzpåiwlung äißán an dát Foåld . . . | Kreischt aus Verzweiflung hinaus in´s Land . . . |
Dát Ziel ås fåor - dár Wåend blaoest åisech käolt. | Das Ziel ist weit – der Wind bläst eisig kalt. |
Hoi kråischt åum Half - hoi kråischt och wåe básåáßán . . . | Er kreischt um Hilfe – er kreischt auch wie besessen . . . |
Åumsöánst - hoi wäos várliáßán och várgåáßán. | Umsonst – er war verlassen und vergessen. |
Sen Ståumm, dai breåch - sen allárlåeátzt Gábiát: | Seine Stimme brach – sein allerletzt´ Gebet: |
Ach Vuát´r åm Heámm´l, och åundeán åf dár Iárd. | Ach Vat´r im Himm´l, und unten auf der Erd. |
Den Wåulán, Hårr, gáschäh . . . dár Dáid kit nåu - | Dein Wille, Herr gescheh´ . . . der Tod kommt nah - |
Dár låetzt Gádonkán hoáeámán un sen Frau - - | Der letzte Gedanke heim zu seiner Frau. |
Án heåmlech Liássán - um Heámmál wit gásåungán | Ein langsam Lassen – im Himmel wird gesungen |
Halleluja vun heåleján Oánálszåungán - - - | Halleluja von heiligen Engelszungen - - - |
( Dám Dáid várfault á jåedár doi gáboárán ) | ( Dem Tod verfällt ein jeder der geboren ) |
Dár Kåppákratzár, doi wäos huárt gáfroárán. - | Der Kåppákratzár, der war hart gefrohren. - |
Åm Foåld láoet Schnoi, dár Wåend blaoást åisech käolt | Im Feld liegt Schnee. Der Wind bläst eisig kalt. |
Dár Wåentár hårrscht måt greámejár Gáwäoult! | Der Winter herrscht mit grimmiger Gewalt. |
Dá Nuecht várgöát, dár Marján roackt árun. | Die Nacht vergeht, der Morgen rückt heran. |
Af oáest án Ruck – át goeát dá Driátsoáeálbuhn. | Plötzlich ein Ruck – es geht die Drahtseilbahn. |
Dár Koáárf ántlaudegt åf dár Station | Der Korb entledigt auf der Station |
Dán Ånhöált uáwán dåef ån dán Waggon. | Den Inhalt unten tief in den Waggon. |
Mechanásch goeáht dát Wårk dáuch áis, dáuch ån . . . | Mechanisch geht das Werk Tagaus Tagein . . . |
Á Månsch láoeát ån dá Koáálán måráld drån. | Ein Mensch liegt in den Kohlen mitten drein. |
Hoi ås árloist vu´ Pliách och allá´ Soåndán . . . | Er ist erlöst von Plag und allen Sünden . . . |
Dá Koáál as spuárz, hoi och, woi wit án foåndán - ? | Die Kohl´ ist schwarz, er auch, wer wird ihn finden - ? |
Án Kåpp, án hái, dae roucht um Keánágstoáeán. | Ein hoher Schornstein, der raucht am Königstein. |
Á Fir wåe ån dár Håoll várschnouft dåe Kåpp áloáeán. | Ein Feuer wie in der Höll´ verschnauft den Bau allein. |
´T ås Måttárnuecht . . . „vai, ce mai bolovan | ´S ist Mitternacht . . . „vai, ce mai bolovan |
„Pui mâna mă - ánd hiár and Fir áran !“ | Pui mâna mă * und her ins Feuer hinein !“ |
„Hou - ruck . . .“ dát Fir deoát broået nau geåt - | „Hou – ruck . . .“ das Feuer das brennt jetzt gut - |
Dár Kåppákratzár doi leåch an dár Gleåt. - | Der Kåppákratzár, der liegt in der Glut. - |
Wát hoirt ám diá ? . . . Án oijántümlech Bräisán . . . | Was hört man dort ? . . . Ein eigentümlich´ Brausen . . . |
Át roackt dár Kåessál, hoi fåuet un zá sáisán . . . | Es rückt den Kessel, er fängt an zu sausen . . . |
Át biáwt dá Iárd, dá Warált dåe wit gáscheárált . . . | Es bebt die Erd´, die Welt die wird geschüttelt . . . |
Á Fir, wae wánn á Loif voáár Håungár beárált | Ein Feu´r, wie wenn ein Löw´ vor Hunger brüllet |
Dá Kap spoáet Fir, dá Gleåt floecht heámmálun, | Der Schornstein spuckt Feu´r, die Glut fliegt Himmelhoch |
Dár Bliách: „vai Doamne - !“ Ánd hoi reánt dárvun. | Der Rumäne „vai Doamne - !“ ** und er rennt davon |
Dár Maschinist árschräickt råißt af dá Dir - | Der Maschinist erschrickt reißt auf die Tür - |
Át schnuárkt dár Kåppákratzár nur am Fir . . . | Es schnarcht der Kåppákratzár nur im Feur . . . |
Ánd hoi árwáucht, ánd stráickt af oáeást dá Glieder . . . | Und er erwacht. Und streckt die Glieder . . . |
Ánd kruch áráis - „Du Welt, du hast mich wieder.“ | Und kriecht heraus - „Du Welt, du hast mich wieder.“ |
* „oh weh´, was für ein Felsblock leg die Hand her“ ** „ach du lieber Gott - !“ |