01/24/21

Inventarisierung „Bewegliche Kulturgüter“ in Zeiden

Gar manches ist den Kirchengemeinden der Evangelischen Landeskirche A.B. Rumäniens im Lauf des letzten Jahrhunderts „verloren gegangen“: Abendmahlskelche, Kirchenarchivteile, kostbare Bücher und wertvolle Hinterlassenschaften ausgesiedelter Sachsen. Noch heute ist vieles vom Verschwinden oder dem Verfall bedroht. Deshalb hat sich der HOG-Verband bei der Fachtagung vom 19. bis 21. Oktober 2018 mit dem Thema „bewegliche Kulturgüter“ befasst und die provokante Frage gestellt, ob es überhaupt sinnvoll ist, siebenbürgisch-sächsisches Kulturgut zu retten. Auf den Tisch gebracht hat die Problematik damals Studiendirektor a.D. Horst Göbbel – wohlwissend, dass das deutsche Kulturerbe in Siebenbürgen in seiner Gesamtheit nicht gerettet werden kann und die noch in Siebenbürgen lebenden Sachsen sowie die Evang. Landeskirche A.B. Rumäniens  mit der Aufgabe, für die nicht nur Zeit, sondern auch Geld und Fachwissen nötig ist, überfordert sind. Wie Göbbel betonte, müssen viele in Deutschland lebende Sachsen ihr Verhältnis zu „den Rumänen“ wohl überdenken und sie langfristig als Erbe unseres Vermächtnisses in Siebenbürgen sehen. Darum forderte er die Erlebnisgeneration unter den Deutschen, ob in Rumänien oder außerhalb Rumäniens, auf, sich an der Rettung ihres Kulturerbes aktiv zu beteiligen. Das siebenbürgisch-sächsische Kulturerbe müsse als europäisches Kulturgut verstanden werden, so Göbbel. Nur so könne es die Generation der Siebenbürger Sachsen überdauern, die sich darum noch kümmert. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass der rumänische Staat es als nationales Kulturgut anerkennt und für schützenswert erklärt.

Mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des HOG-Verbandes Dr. Horst Müller als Vertreter der HOG Kronstadt griff damals ein weiterer Referent die Inventarisierung der beweglichen Kulturgüter auf und formulierte konkrete Vorschläge zur Bestandsaufnahme in den Kirchengemeinden des Burzenlandes. Gleichzeitig rief er die Verantwortlichen in den HOGs auf, sich dieser wichtigen Aufgabe anzunehmen und dabei zeitnah mit den Heimatkirchengemeinden zusammenzuarbeiten.

Mit den Vorgaben aus der Tagung beschäftigte sich die HOG-Regionalgruppe Burzenland auf ihrer Frühjahrstagung 2019 in Crailsheim. Dr. Horst Müller konkretisierte in einem Workshop seine Vorschläge und lieferte eine detaillierte Vorgehensweise zur Bestandsaufnahme. Fest stand damals schon, dass seine sehr weit gefassten Vorstellungen von einer neuen Inventarisierung nur von profunden Kennern der Materie Kulturgut umgesetzt werden könnten und die Aufgabe zudem viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Die Zeit sollte zwar keine primäre Rolle spielen, aber die Frage nach den sachkundigen Fachleuten blieb unbeantwortet. So beschloss der Vorstand der Zeidner Nachbarschaft am 6. Oktober 2019, sich der Aufgabenstellung anzunehmen und das Projekt in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Zeiden in Eigenregie anzugehen und dokumentiert zum Abschluss zu bringen.

Als Grundlage wurde die Inventarisierungsliste der Zeidner Kirchengemeinde von 1967 herangezogen. Sie war während der Amtszeit von Pfarrer Richard Bell mit den Mitgliedern der damaligen Inventarisierungskommission Fritz Schuster, Helmut Mild und Herbert Kuwer nach Aufforderung durch den rumänischen Staat erstellt worden. Die 32-seitige, in rumänischer Sprache verfasste Liste ging als „Neicov-Liste“ in die Geschichte der Landeskirche ein. Sie enthält eine umfassende Unterteilung nach Objekten aus Metall, historischen Wertgegenständen, Gebäuden und Kircheneigentum, Grundstücken, gemeinschaftlichen Wertgegenständen, Büchern, historischen Dokumenten und Manuskripten und ist die letzte Inventarisierung der beweglichen Kulturgüter unserer Kirchengemeinde. Viel hat sich in Zeiden seither verändert.

Julia Hedwig hatte sich 2019 als neugewähltes Vorstandsmitglied der Zeidner Nachbarschaft bereit erklärt, die umfangreiche Inventarisierungsarbeit ohne Zeitdruck anzugehen. Um ihr die Aufgabe vor Ort zu erleichtern, wurde die Neicov-Liste ins Deutsche übersetzt.

Doch dann befiel das Coronavirus 2020 die Welt und ein vorsichtiges Herantasten an diese nicht zu unterschätzende Dokumentationsarbeit in Zeiden war für Julia nicht einmal mehr im Ansatz möglich. So treten die Evangelische Kirchengemeinde Zeiden und die Zeidner Nachbarschaft zurzeit bei diesem Projekt auf der Stelle und hoffen, es wenigstens 2021 gemeinsam angehen zu können. Sollte das Reisen bis Juli/August 2021 wieder möglich sein, werden Vorstandsmitglieder der Zeidner Nachbarschaft helfen, die Inventarisierung im Sommer durchzuführen. Bei einem positiven Verlauf der Arbeiten – ab 1. März soll die Renovierung der Kirchenburg fortgeführt werden – kann sie vielleicht sogar bis Jahresende 2021 abgeschlossen werden.

Anmerkung: Noch bevor der HOG-Verband 2018 die längst fällige Diskussion zum Thema „Bewegliche Kulturgüter: Erkennen, Bewahren, Schützen, Bewerten, Schaffen“ eröffnet hatte, bewiesen die Zeidner Nachbarschaft und die Stiftung Zeiden Weitsicht: Von 2004 bis 2009 ließen sie das Archiv der Kirchengemeinde – mit 13 Archivmetern das vermutlich größte ländliche Archiv – durch den Kronstädter Archivar Thomas Sindilariu neu ordnen und digitalisieren, um es schließlich im Archiv der Honterusgemeinde in Kronstadt sicher unterzubringen.

Helmuth Mieskes