09/10/14

Ein Besuch auf der Baustelle

Im Rahmen der 3. Zeidner Begegnung im Jahr 2011 hatten Teilnehmer dieser Begegnung die Gelegenheit, im Foyer die Kulturhauses, von dem damaligen Zeidner Bürgermeister Alexandru Popa, ein ehrgeiziges Projekt der Stadt Zeiden – die Renovierung des alten Rathauses auf dem Marktplatz - vorgestellt zu bekommen.  Man sah Entwürfe und Zeichnungen, man las Beträge und Eckdaten dieser Renovierung und staunte nicht schlecht über die sehr dezente Farbgebung des Gebäudes. Und dennoch  bekam man irgendwie Bauchweh, bei dem Gedanken, dass dieses Projekt von der EU finanziell gefördert werden sollte. Wieso eigentlich Bauchweh? Eigentlich hätte man sich doch freuen sollen. Hätte man sollen, wenn nicht…………Negativschlagzeilen aus Rumänien vorher die Runde gemacht hätten. Seit 2007, als Hermannstadt zur Kulturhauptstadt Europas erkoren wurde, hatte man in Hermannstadt verstärkt die Verschwendung von Geldern aus Brüssel für einzelne Bauprojekte beklagt und öffentlich angeprangert und irgendwie wurde auch ich das Gefühl nicht los, dass dies auch in Zeiden so kommen sollte bzw. kommen könnte. Wäre ja kein Einzelfall!

Mittlerweile sind einige Jahre vergangen und siehe da, das ehrgeizige Projekt der Stadt, das sich bereits 2009 ausgeweitet hatte, nahm ein stattliches Ausmaß an.  Im Rahmen der Sanierung des historischen Altstadtkerns wurden mit dem ehemaligen Stuhlrichteramtsgebäude  (ehemalige Bibliothek und Postamt) und dem 1910/1911 erbauten Kulturhaus zwei weitere Gebäude in das Förderprogramm der EU aufgenommen und die Renovierung in die Wege geleitet. Bereits 2009 sah Stadtarchitektin Bradu 8 Millionen Euro für die Renovierung der drei Gebäude vor.

Als die Nachricht des Bürgermeisteramtes – im alten Rathaus (ehemalige Poliklinik) ein Museum der Zeidner Traditionen (Muzeul Traditiilor Codlene) einrichten zu wollen – dem Vorstand der Zeidner Nachbarschaft übermittelt wurde, begann das Interesse für diese längst fällige  Renovierung rapide zuzunehmen, weil man indirekt auch laut über eine sächsische Museumsabteilung (der Museumsgedanke ist nicht neu) nachdachte. Nach dem auch die lokalen Mittel für dieses groß angelegte Bauprojekt bereitgestellt wurden und die Baufreigabe erteilt wurde, konnte bereits am 20. Januar diesen Jahres mit den Bauarbeiten am Rathaus begonnen und den kooperierenden Baufirmen SC Agora Construct SRL und SC PALEX Constructii Instalatii SRL der Auftrag zur Durchführung übertragen  werden.

Im August diesen Jahres hatten die nach Zeiden angereisten Vorstandsmitglieder der Zeidner Nachbarschaft im Vorfeld der 4. Zeidner Begegnung die Gelegenheit im Anschluss eines offiziellen Empfangs im Zeidner Bürgermeisteramt  die Baustelle (santier in lucru) im alten Rathaus zu besuchen, um sich ein Bild über den Fortgang der Bauarbeiten zu machen, das Innere des Gebäudes vom Dachstuhl bis in den Gewölbekeller in Augenschein zu nehmen und über interessante Details informiert zu werden.  Der „Nachbarschaftsdelegation“ gehörten Nachbarvater Rainer Lehni, Altnachbarvater Udo Buhn, Kuno Kraus, Annette und Hans Königes, Heiner Aescht und Helmuth Mieskes an. Als Vertreter der Kirchengemeinde verstärkte Pfarrer Andreas Hartig die deutsche Zeidner Abordnung. 

In Anwesenheit von Vizebürgermeister Virgil Urdea, der Stadtarchitektin Claudia Bradu und des noch sehr jungen, aber sehr engagierten Bauleiters Dinu Traian, der über ein erstaunliches Fachwissen verfügte und mit großem Insiderwissen über dieses Gebäude positiv überraschte, hatte die deutsche Abordnung die seltene Gelegenheit, dieses im Jahr 1829 erbaute Gebäude  von oben (Dachgeschoss) bis unten (Kellergeschoss) zu inspizieren, jeden Raum und jeden Winkel fotografisch festzuhalten  und sich von der guten Bausubstanz des Stein-und Ziegelbaus und den bereits durchgeführten Arbeiten, die sauber und fachmännisch ausgeführt wurden, zu überzeugen.

Allein die sorgfältige Freilegung der Wände (dabei waren die 1 Meter dicke Mauern gut sichtbar) – eine Meisterleistung in meinen laienhaften Augen - die fachmännisch vorgenommene Schließung der vorhandenen Risse, die akribische Nachbildung von  vorhandenen Stuckteilen und eine technisch gut ausgeführte Drainage zum Kirchhof, lassen darauf schließen, dass die 32 Mann starke Bautruppe, die laut Bauleiter Dinu erstaunlicherweise über gutqualifizierte und erfahrene Handwerker verfügt, qualitativ gute und vor allem nachhaltige Arbeit leistet und die Vorgabe des rum. Landesdenkmalamtes, dessen Präsenz auf der Baustelle allgegenwärtig zu sein scheint, mustergültig erfüllt.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt unseres Besuchs wurden wir über die Probleme am Gebälk des Dachstuhles eingehend  informiert und mit Details versorgt. Ein Pilzbefall am Gebälk, der einer Spezialbehandlung unterzogen werden sollte,  hatte die Sanierungsarbeiten am Dachstuhl zum Stagnieren gebracht und so den Baufortschritt in den Sommermonaten etwas verzögert. 

Die verantwortliche Architektin Bradu erläuterte die geplante Raumaufteilung im  ganzen Gebäude (noch nicht abgeschlossen) und einzelne Vorstellungen der Stadtverwaltung. In ihren bereitwilligen Ausführungen machte sie deutlich, dass der Museumsgedanke zwar vorhanden sei, aber ein Arbeitsausschuss gebildet werden müsse, um über konkrete Vorstellungen zu beraten und baldmöglichst  Entscheidungen zu treffen. Dass Altnachbarvater Udo Buhn diesem Ausschuss angehören wird, (seine Zusage liegt bereits vor) ist ein positives Indiz dafür, dass eine Zusammenarbeit mit der Zeidner Nachbarschaft und der Evang. Kirchengemeinde angestrebt wird und wir so in den Planungs- und Entscheidungsprozess (was die spätere sächsische Museumsabteilung anbelangt) aktiv einbezogen werden.

Positiv überrascht zeigten sich die Besucher des Gottesdienstes am Samstag, dem 9. August, über eine fein säuberlich und aufgeräumte Baustelle im Bereich des Rathauseingangs, und einen sauberen und abgesperrten Zugang zum Kirchhof. Desweiteren löste Bauleiter Dinu sein Versprechen vom Donnerstag ein und rüstete die Fassadenseite zur Marktgasse ab, um dem Besucher die Fassade mit dem neuen, farblich sehr dezenten Farbanstrich zu präsentieren. Damit kam er seiner ehrgeizigen Absicht nach, uns ein Bild vom fertig renovierten  Gebäude zu vermitteln. Als Termin der Fertigstellung aller drei Gebäude ist aus EU-Sicht  der 15. Juli 2015 vorgesehen.

Der Besuch auf der Baustelle war sehr erfrischend und ganz anders, wie man das vielleicht von früher, bei anderen Gelegenheiten, in Erinnerung hatte. Ich hatte den  Eindruck, dass hier Leute am Werk sind, die mit ihrer ganzen Erfahrung, mit einer erstaunlich frischen  Arbeitseinstellung und ihrem Engagement,  sich dessen wohl bewusst sind, dass sie bei der Renovierung von historisch wichtigen Gebäuden in Zeiden, eine besondere Aufgabe übertragen bekommen haben, die sie auch ein bisschen mit Stolz erfüllt. Sollte am Ende auch die Endabrechnung der EU-Fördermittel im Sinne der EU-Kommissäre in Brüssel vorgelegt werden können, dann dürfen sie mit Recht stolz auf diese gemeinsame Leistung sein.

Den Verantwortlichen im Rathaus um Bürgermeister Catalin Muntean und Stadtarchitektin Claudia Bradu und der  Bautruppe um Bauleiter Dinu wünschen wir für die nächsten Monate einen guten weiteren Verlauf der Bauarbeiten und gutes Gelingen. Gemessen an dem, was uns auch über die planerische Straßen- und Gehwegverbesserung im Bereich des Marktplatzes erzählt wurde, wird sich der Stadtkern um das Rathaus herum 2015 in einem anderen, sicher sehr veränderten Licht präsentieren und es ist hoffentlich nur eine Frage der Zeit, bis die Kirchturmrenovierung  (ein trauriger Anblick) ernsthaft angegangen wird. Die Evang. Kirchengemeinde Zeiden würde sich darüber bestimmt sehr freuen. 

Helmuth Mieskes, Böbingen

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