Bilder aus Zeiden 1848/1849
Revolutionen sind nicht nur ein aktuelles Ereignis. 1848/49 war Siebenbürgen auch Schauplatz der damaligen Revolution. Eine fast unüberschaubare Flut von Publikationen ist darüber erschienen und sie nimmt nicht ab.
Die Revolution in Ostmitteleuropa trug andere Züge als jene im restlichen Europa, deshalb ist eine Beurteilung sehr schwierig. Da das damalige Kaiserreich Österreich ein Vielvölkerstaat war, erzählt jede Seite ihre Geschichte. Die einzelnen Beteiligten haben diesen Umbruch anders erlebt und die eigenen Erinnerungen überwiegen. Die Muse der Geschichte verschwindet ob diesem Streit.
Da dieser Artikel für einen ortgeschichtlichen Gesprächskreis bestimmt ist, beschränke ich mich hiermit nur auf Zeiden und auf die für die damaligen Einwohner wichtigen Ereignisse. Das Gefecht bei Zeiden am 19.März 1849 war das Ereignis, welches den Ort in Mitleidenschaft zog.
Der Hauptgrund für diesen Artikel ist eine Begebenheit, welche in meiner Familie erzählt wurde. Nach diesem Gefecht wurde wie immer in Kriegen auch Beute gemacht. Die Vorfahren der Familie väterlichseits wohnten in der Langgasse am Eingang des Ortes gegen Vladeni zu. (Ururgrossmutter Rosa Tarenz geb. Marcus 1843). Ein Kind lag in der Wiege und als die Soldaten erschienen, schob der Vater das Silbergeld in die Windeln. Das Geld wurde nicht entdeckt und noch Generationen danach wurde darüber erzählt.
Nun zur chronologischen Reise durch die Jahre in Zeiden. Die Consistorialprotocolle, welche die Stiftung Zeiden durch das Honterusarchiv in Kronstadt herausgibt sind eine wahre Fundgrube für diese Zeit. [4]
Um den Unruhen im Lande zu begegnen wurden 1848 überall im Kaiserreich Österreich Bürgerwehren aufgestellt so auch in Zeiden. Im Laufe des Jahres 1848 griffen die Ereignisse in Ungarn auch auf Siebenbürgen über, welches damals österreichisches Kronland war. Geografisch am Rande gelegen, geriet auch der Ort in das politische Geschehen. Die politische Lage war heikel und die Äußerung der Communität, also des politischen Organs der Zeidner Bürger, drückt diese schwierige Situation aus. In unübersichtlichen Situationen sich für etwas auszusprechen, dessen Tragweite noch nicht erfassbar ist, kann in einem jahrhundertlang währenden Spannungsfeld sehr schnell ausufern. Es ging um die Union mit Ungarn, eine Forderung der Revolutionäre. Siebenbürgen war im Laufe der Geschichte zum österreichischen Kronland geworden. Die Entscheidung der Communität, nicht sofort zuzustimmen, drückt ihre politische Weitsicht aus.
Die weiteren Ereignisse in Ungarn und in Italien berührten Zeiden nicht direkt. Am 06. September 1848 kam der Erlass zur Einberufung von militärpflichtigen jungen Leuten.
Die revolutionäre Regierung in Budapest ernannte Josef Bem zum Oberbefehlshaber in Siebenbürgen und sein Feldzug 1849 bis Kronstadt im Südosten führte ihn auch nach Zeiden. Die kaiserlichen und die verbündeten russischen Truppen wichen nach den Kampfhandlungen über die Grenze nach Süden aus.
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Im Zuge dieser kriegerischen Handlungen kam es auch zum Gefecht bei Zeiden. Drei Beschreibungen habe ich dazu verwendet. Jene von Johann Czetz seitens der Truppen des Generals Bems [3], Johann Edlen von Nablik vom 55. Linien Infanterie Regiment Baron Bianchi seitens der kaiserlichen Truppen [2], Carl Thiess, Gymnasiallehrer in Kronstadt [1] und natürlich die mündliche Überlieferung. Jede von ihnen beschreibt die Ereignisse anders, so dass das Resümee kein allgemeingültiges sein kann.
General Bem mit seinen Truppen marschierte am 11.März 1849 in Hermannstadt ein und entlang des Alts bewegten sich seine Truppen auf Kronstadt zu. Die Festung Fogarasch fiel und am Morgen des 19. März 1849 (18.März nach Czetz) standen die Truppen vor Zeiden.
Nach Oberst Czetz befanden sich im Armeecorps von General Josef Bem7 Bataillons, 10 ½ Escadrons, 26 Geschütze, 7200 Mann Infanterie und 1500 Mann Cavallerie. Die kaiserliche Armee zählte 3 Brigaden Infanterie mit 10000 Mann, 12 -14 Escadrons Cavallerie mit 1680 Mann und 48 Geschütze sowie den Landsturm. Unter General Engelhardt standen noch 6000 Mann russische Truppen und 24 Geschütze in Reserve.
Die Kaiserlichen bauten eine Verteidigung in der Ebene auf. Die Pläne liegen mir nicht vor, aber aus den verschiedenen Berichten erschließt sich, dass das Gefecht sich vom kleinen Goldbach über die Höhe zwischen Hundsberg und Käppchen entwickelte. Dort fanden Geplänkel statt. Das Gros ihrer Truppen befand sich in der Ebene vor dem Wald mit dem linken Flügel gegen den Wald. Die Geschütze waren im Zentrum beim Eingang nach Zeiden und der rechte Flügel rechts von der Straße. Man erkennt, dass sich revolutionären Truppen von Oberst Czetz vom Hundsberg nach Zeiden hin bewegten. Dort wurde auch eine dreipfündige Batterie aufgestellt. Durch das Schneegestöber von Nordosten wurden die kaiserlichen Truppen sehr stark behindert, auch das Zielen war beschränkt. Die Ziegelöfen, welche sich am Ortsrand befanden, werden auch erwähnt, sie wurden aus Unkenntnis der Lage zuerst von den Truppen des Oberst Czetz beschossen.
Das Treffen dauerte zwischen zwei und drei Stunden nach Oberst Czetz, Johann von Nablik beschreibt die Kampfhandlungen genau zwischen halb acht am Morgen und 2 Uhr am Nachmittag, wobei erst ab 10 Uhr das eigentliche Gefecht begann. Die Bewohner von Zeiden befanden sich in einer schwierigen Lage. Sogar aus Kronstadt hörte man den Geschützlärm und „das Geknatter der Feuergewehre“.
Der Prediger Johann Foith aus der Gemeinde begab sich zum Kampfplatz, half den Verwundeten und spendete den Sterbenden Trost. 14 Uhr zogen sich die Kaiserlichen zurück und räumten den Markt Zeiden, um dann hinter dem Flüsschen Weidenbach in Stellung zu gehen. Die siegreichen Truppen zogen in Zeiden ein. Von daher kommt die Familiengeschichte. Der Notär Matthias Göbbel und der Richter Peter Mill brachten die Allodialkasse (Gemeindekasse) in Sicherheit. Natürlich nicht die gesamte Summe, 50 Fl. C.M. ( Gulden) blieben für die heranrückenden Truppen. Der Pfarrer Samuel Teutsch, welcher wegen einer Arznei für seine kranke Frau und Tochter in Kronstadt weilte, eilte nach Hause zurück. Die flüchtenden Truppen versuchten ihn umzustimmen. In Zeiden bedrohte ihn die andere Seite und erst nach vielen Bitten wurde er vor General Bem geführt. Dieser nahm im Pfarrhaus Quartier.
Am Morgen verließ der General mit seinen Truppen Zeiden. Kronstadt ergab sich ohne Gegenwehr, da die kaiserlichen und russischen Truppen die Stadt verlassen hatten. Die Toten wurden begraben und eine Stelle aus den Matrikeln verweist darauf hin, dass Begräbnisse zum Teil auf Gemeindekosten stattfanden. [5] Neue Verordnungen kamen und nach drei Monaten wendete sich die Lage. Der russische General Engelhardt war am 22.Juni 1849 mit seinen Truppen in Zeiden.
Die weiteren Ereignisse berührten Zeiden nicht mehr direkt. Steuern und die ganzen Kriegsfolgen machten der Gemeinde schwer zu schaffen und es war wie immer: die nächsten politischen Umbrüche kamen nach 1866 als Folge des Deutschen Krieges. Literarisch beschreibt Michael Albert in „Der Pfarrer aus dem Haferland“ am besten die Lage der Siebenbürger Sachsen. Ein siebenbürgischer Pfarrer begibt sich aus einem entlegenen Dorf nach Schäßburg und trifft dort am 31. Juli 1849 genau zur Schlacht zwischen den Truppen des Generals Bem und den kaiserlichen und russischen Truppen ein. [6]
Anmerkung: Für Namen und auch für verschiedene Bezeichnungen wurde teils die damalige Schreibweise verwendet ( Z.B. Johann Czetz, anstatt János Ferenc Czecz)
Bibliographie:
1. Carl Thiess, Geschichtliche Bemerkungen in den Revolutionsjahren 1848 und 1849 mit vorzüglicher Berücksichtigung der Stadt Kronstadt mit theilweiser von Siebenbürgen, Gedruckt bei Johann Gött, Kronstadt, 1851
2. Johann Edlen von Nablik, Geschichte des Kais. Kön. 55. Linien- Infanterie-Regimentes Baron Bianchi, Im Selbstverlage des Verfassers, Brünn, 1863 (http://books.google.com/books, Harvard College Library)
3. Georg Klapka, Memoiren, Verlag von Otto Wiegand, Leipzig, 1861 (http://books.google.com/books, Harvard College Library)
4. Consistorialprotocolle 1800-1866, Zeiden, Herausgabe durch die Stiftung Zeiden, voraussichtlich 2011
5. Archiv der evangelische Kirchengemeinde A.B. Zeiden, Archiv und Bibliothek der Honterusgemeinde Kronstadt
6. Hermann Hienz, Friedrich Ziegler, Lesebuch für die konfirmierte Jugend, Kommissions-Verlag Honterus-Druckerei, Hermannstadt, 1927
Helmut-Andreas Adams Staffort, den 21.04.2011