800 Jahre Deutscher Orden im Burzenland
von Prof. Dr. h.c. mult. Dr. Dr. Harald Zimmermann (Tübingen)
Vor 800 Jahren hat der ungarische König Andreas II. den Deutschen Orden zum Zwecke der Grenzverteidigung und der christlichen Mission nach Siebenbürgen berufen. Das Burzenland wurde ihm zugewiesen, das bei dieser Gelegenheit erstmals urkundlich genannt und teilweise beschrieben wurde. Zum Auftakt der Jubiläumsveranstaltungen 2011 wurde der Neujahrsempfang des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats am 8. Januar ganz unter das Thema "Deutscher Orden" gestellt. Der Heimattag in Dinkelsbühl, das Sachsentreffen und die Jahrestagung des Landeskundevereins im September 2011 in Kronstadt werden sich ebenfalls mit dem Burzenland, dessen Erschließung durch den Orden, mit seinen Bewohnern und seiner Geschichte befassen. Der bedeutende Mediävist Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Harald Zimmermann, dessen Standardwerk zur siebenbürgischen Episode des Deutschen Ordens soeben in zweiter Auflage erschienen ist, hinterfragt im Folgenden die Bedeutung des Ereignisses für die Geschichte der Siebenbürger Sachsen.
2011 soll ein Jubiläumsjahr werden! Worüber aber soll man jubeln? Was sind 14 Jahre Deutscher Ritterorden im Burzenland (1211-1225) gegen 850 Jahre Siebenbürger Sachsen, noch immer und in aller Welt?
Vor rund 200 Jahren schrieb ein berühmter Geschichtsprofessor in Göttingen, August Schlözer, ein Buch über die Siebenbürger Sachsen und darin auch über die Epoche des Ordens. Er kam zu dem Schluss, man könne darüber froh sein, ihn so bald wieder losgeworden zu sein. Wer weiß, wie es den Sachsen unter diesen Adelsherren ergangen wäre? Derselben Meinung waren eigentlich auch die Sachsen. - Soll man also das Jubeljahr auf 2025 verschieben? Laut Schlözer könnte man feiern, dass "ein freies, glückliches Volk unter weisen Königen" im Lande geblieben sei. Die Erinnerung an weise Regenten und an das Geblieben-Sein und Bleiben im Lande fällt freilich schwer in heutiger Zeit.
Damals vor 800 Jahren hatten die Sachsen 1224 vom ungarischen König ihren "Goldenen Freibrief" bekommen, und der war ihnen so wichtig, dass sie sich ihn von jedem neuen König bestätigen ließen bis in die Neuzeit: ein bleibender Wert also, auch mit der Mahnung zur Einigkeit: eins sei das Volk (unussitpopulus)! Aber schon lange ist vermutet worden, dass der schlaue König die Freiheiten nur gewährt habe, damit seine deutschen Siedler nicht gemeinsame Sache mit den damals schon von ihm bekämpften Rittern machen, sondern im Gegenteil ihm bei ihrer Vertreibung helfen - was dann wohl auch geschah. Karl Kurt Klein sprach 1968 vom "ersten Bruderkrieg" unter den Siebenbürger Sachsen, und er dachte dabei sicher an die mancherlei und vielen sächsischen Streitereien, die er selbst erlebt hatte, zwischen Alt¬sachsen und Jungsachsen und den diversen Erneuerern bis in seine Tage - und bis heute. Als Historiker wusste er und weiß man freilich auch von sächsischer Einheit und Einigkeit.
König Andreas II. (1205-1235) war mit einer bayerischen Prinzessin, Gertrud von Andechs, verheiratet und hat sein Töchterlein, die später "heilige" Elisabeth, nach Thüringen verheiratet. Das war 1211 und kein Zufall war es, dass just in diesem Jahr der Deutsche Orden unter dem thüringischen Hochmeister Hermann von Salza nach Siebenbürgen berufen wurde, ins Burzenland, angeblich wüst und leer (deserta et inhabitata). Er sollte es auf Dauer frei besitzen. Der Weißenburger Bischof Wilhelmus Vilmos verzichtete in Alba großzügig auf Rechte im Burzenland. Seine Urkunde wurde in Rom 1218 bestätigt. Im selben Jahr kehrte Andreas II. von einem Kreuzzug aus dem Heiligen Land heim, ziemlich bankrott in ein ruiniertes Reich, wie er dem Papste schrieb. Ein neuer Finanzminister setzte auf Privatisierung und prompte Zahlung für königliche Verleihungen. Das hat für Unmut gesorgt. Der ungarische Adel setzte sein Mitbestimmungsrecht in der "Goldenen Bulle" von 1222 durch.
Im selben Jahr erhielt auch der Deutsche Orden eine neue Königsurkunde. Sie enthält eine Entschuldigung, dass der König seinem Zorn nachgegeben und befohlen habe, den Orden aus dem Burzenlande zu vertreiben - wann das gewesen ist, erfährt man leider nirgendwo. Jetzt aber wird das alles zurückgenommen und die Berufung von 1211 erneuert und sogar erweitert: bis zur Donau (usque ad Danubium) solle das Ordensland reichen, über die Karpaten hinaus in die Walachei und Moldau, ins heidnische Kumanenland. Die rumänische Forschung dachte an eine Fälschung, weil der König verschenkt habe, was ihm gar nicht gehörte. Aber die im Original erhaltene päpstliche Bestätigung vom selben Jahr 1222 ist zweifelsohne echt, von einem wohl bekannten römischen Notar geschrieben mit aller Prachtentfaltung. Welche Pläne verfolgte der Papst?
Mit dem König erneuerte sich bald wieder der Streit und schuld daran war vielleicht der neue Bischof von Weißenburg/Alba namens Reynaldus/Rénaul aus Wardein, wohl aus reicher Familie (immerhin hat er den Dom in Alba bauen lassen) und nur mit Protektion in sein Amt gelangt, denn wegen seiner Einäugigkeit körperlich defekt hätte er laut Kirchenrecht nie Bischof werden dürfen. Und nun passierte es im Januar 1223, dass Papst Honorius III. anordnet, im Burzenland einen eigenen Dechanten einzusetzen, vorläufig, "bis man ein Bistum gründen" könne. Der Weißenburger war nicht bereit, auf seine Rechte zu verzichten, wie es sein gutmütiger Vorgänger getan hatte - und er gewann anscheinend den König für sich.
Man hört von diesem Streit nur aus Urkunden, und man hat Grund sich zu wundern: Da wird dem Orden vorgeworfen, er habe sein Territorium unerlaubt ausgedehnt. Ja, war denn das nicht schon 1211 intendiert gewesen, als die Ritter berufen wurden, damit das Reich durch die Bekehrung der Kumanen größer werde? Steinerne Burgen (castralapidea) habe der Orden gebaut, wo doch nur hölzerne (lignea) erlaubt waren. Ja, glaubte denn der Herr König wirklich, dass vor feindlichen Invasionen die alte Methode der Grenzsicherung nur durch Palisaden und Gestrüpp (oder wie der Ungar sagt: durch die gyepük) genüge und der Orden auch so eine Schutzwehr des Reiches sein könne? Schon droht der Tatter 1223 an der russischen Grenze! Abwerbung von Siedlern aus dem Altland habe der Orden betrieben trotz ausdrücklichen Verbotes. Natürlich hat damals kein königlicher Emissär die braven Burzenländer befragt, ob sie direkt aus dem fernen Flandern gekommen seien oder nur aus dem nahen Gebiet zwischen Broos und Draas. Eine bloße Verdächtigung also! Aber erst 800 Jahre später hat Andreas Scheiner endgültig nachgewiesen, dass die Burzenländer ganz anders sächsisch sprechen als die aus der Hermannstädter Provinz oder aus dem Nösnerland.
Vielleicht hätte sich der König das auch alles gefallen lassen, wenn die Ritter gemäß dem neuen Finanzsystem für neue Verleihungen zu zahlen bereit gewesen wären. Nicht weniger als 1000 Silbermark, damals eine riesige Summe, habe er erpresst, heißt es vorwurfsvoll in einem Papstbrief. Es ging ja auch um Bergbaurechte und um das Recht der Münzprägung.
Die Ritter hatten den Papst auf ihrer Seite, und der machte nun den König darauf aufmerksam, dass ein Ritterorden keinem weltlichen Herrn untertan sein dürfe, sondern souverän sei, dass für Schenkungen das Prinzip der göttlichen Proprietät gelte: Was der Kirche gegeben sei, sei eigentlich Gott gegeben - und wer könnte etwas von Gott zurückfordern? Zuletzt wurde lapidar mitgeteilt, dass das Burzenland im Schutz (protectio et defensio) des heiligen Petrus stehe.
Wahrscheinlich dachte man in Rom an eine Art Kondominium von Papst und König im Burzenland, an ein gemeinsames Herrschen. Andreas aber argwöhnte eine letztendliche Enteignung und beklagte sich über den Orden, dass er sich erwiesen habe, wie "ein Brand im Busen, eine Ratte im Ranzen, eine Schlange im Schoß" - so eindrucksvoll formuliert aus dem kirchlichen Rechtsbuch, das man eben auch in Ungarn gut kannte.
Schlichtungskommissionen waren eingesetzt worden: zuerst drei Zisterzienseräbte, voran der von Kerz, dann zwei ungarische Bischöfe, der eine aus Wardein, zuletzt gar ein Kardinal aus dem Schwabenlande. Ob die aber alle objektiv waren? Ausgerichtet haben sie jedenfalls nichts.
Und auch der Papst hat schließlich nachgegeben: Wenige Tage nachdem er im Juni 1225 die Ritter belobt hatte, dass sie trotz Drohungen und Terror (minissiveterroribus) ausharren, erging im Juli 1225 aus Rom an den ungarischen Thronfolger Béla ein dann auch ins Kirchenrecht aufgenommenes Dekret: unter bestimmten Voraussetzungen sei es erlaubt, trotz gegebener Eide (iuramento non obstante) eine das Reich schädigende Schenkung zu widerrufen. Soll man annehmen, dass man in der einen päpstlichen Kanzlei nicht wusste, was in der anderen entschieden worden war?
Im Februar 1226 meldete ein Bote des Ordens in Rom, dass dieser das Burzenland geräumt habe, der Gewalt gewichen sei.
Schwere Schlachten waren anscheinend nirgendwo geschlagen worden. Erst die Tataren haben 1241 die Marienburg am Alt zerstört. Ob sie und die anderen fünf Ordensburgen im Burzenland schon ganz fertig waren, möchte man wegen der Kürze der Zeit eher bezweifeln. Sie wurden jetzt denen überlassen, die vorher wohl ihretwegen roboten mussten: einem nun "freien, glücklichen Volk .", und erst ein Erdbeben hat dann 1838 die Marienburg endgültig zur Ruine gemacht. Georg Friedrich Marienburg hatte andere Burgen im Sinn, als er voll Stolz dichtete: "Und fragst du nach dem Rittersmann/ Der diese Burgen baute:/ Der Bürger wars, der Bauersmann,/ Der solches sich getraute!"
Daran erinnert man sich, trotz mancher Ruinen am Alt und anderswo.
In Anlehnung an den Beitrag der am 20. Januar 2011 in der Siebenbürgischen Zeitung erschienen ist, hat Prof. Zimmermann am 16., April 2011 bem 14. ZOG in Böblingen-Hulb über "Den Deutschen Orden im Burzenland" referiert.
Helmuth Mieskes, Böbingen