Zeiden im Sommer 2008
Während einer Rumänienrundreise im Juli 2008 war ich nach mehr als zweijähriger Abwesenheit für knappe zwei Tage in Zeiden. Nachfolgend schildere ich meine Eindrücke, wie ich Zeiden dabei erlebt habe.
Zeiden macht einen größtenteils positiven Eindruck. Die Stadt erholt sich nach dem wirtschaftlichen Niedergang der 90er Jahre. Das Stadtzentrum – ; oder das „historische Zentrum“ wie es offiziell heißt – ist sauber und gepflegt. Dort, wo früher der Wochenmarkt war - an der Nordseite der Kirchenburg - ist die neue Promenade entstanden. Springbrunnen und Bänke laden hier zum Verweilen ein. In regelmäßigen Abständen sind hier Zeidner Wappen aus Metall zwischen den Pflastersteinen eingelassen. Selbst an den dort aufgestellten Bänken und Mülleimern findet man das Wappen. Man kann jetzt um die ganze Kirchenburg herumgehen, neue Wege wurden angelegt, wobei ein kleines Teilstück zwischen Pfarrhöfchen und Neuer Schule noch fertig gestellt werden muss. Einen traurigen Anblick bietet die Ruine des alten Schulgebäudes neben der Neuen Schule. Dieses Gebäude – wie auch die anderen Schulgebäude im Stadtzentrum - wurde der Evangelischen Kirchengemeinde rückerstattet und soll eventuell von der Stadt Zeiden angemietet und renoviert werden, um hier einen Kindergarten einzurichten. Die deutsche Abteilung der Allgemeinschule Nr. 1 befindet sich jet zt in der „ Neuen Alte Schule“ neben dem Kulturhaus, wo früher das Holzlyzeum war.
Die evangelische Kirche befindet sich in einem sehr gepflegten Zustand ebenso der Kirchhof vor der Kirche. Der sonntägliche Gottesdienst findet fast jeden Sonntag statt, allerdings zu verschiedenen Uhrzeiten. Gehalten werden die Gottesdienste hauptsächlich von Pfarrern aus Kronstadt oder Lektoren. Die Zahl der Gottesdienstbesucher ist leider etwas zurückgegangen. Die Kirchendienerin ist sehr hilfsbereit und stets zur Stelle, wenn man sie braucht. An den Gedenktafeln an der Kirchenmauer ist die Farbe der Opfernamen schon zum großen Teil ausgewaschen. Zwei Tage vor meinem Besuch ist ein morscher Balken im Dach der Ringmauer durchgebrochen, und hat ein Loch im Ziegeldach verursacht. Die Stelle befindet sich an der südlichen Ringmauer kurz vor dem Gemeinderaum. Bereits am zweiten Tag war man dort mit Ausbesserungsarbeiten beschäftigt, laut Kurator Arnold Aescht werden aber größere Renovierungsarbeiten an den Mauern in naher Zukunft unumgänglich sein.
Bei sehr schönem Wetter hatte man eine gute Fernsicht vom Turm. Eine neue Holztreppe verbindet die Etage der Glocken mit jener der Turmuhrblätter, die darüber liegt.
Von außen hinterläßt der Turm keinen so gepflegten Eindruck, vor allem die Wetterseite, aber auch am Sockel zur Straße blättert die Farbe. Die geplante Renovierung verzögert sich. Der Zugang in die Kirchenburg durch das Alte Rathaus und heutige Poliklinik hindurch ist wie eh und jeh sehr dunkel und wirkt nicht einladend. Ist man dann aber im Kirchhof, so entschädigt der gepflegte Hof als Oase der Ruhe inmitten des pulsierenden Lebens, das draußen herrscht.
Das Pfarrhaus steht leer nach dem Wegzug der Pfarrfamilie Untch zu Beginn dieses Jahres. Die letztes Jahr fertiggestellten Gästezimmer im Pfarrhof müssen wegen eines Wasserrohrbruchs im vergangenen Winter neu gestrichen werden.
Zudem wird zurzeit ein Erweiterungsbau für Gäste errichtet. Der evangelische Friedhof macht einen guten Gesamteindruck. Es gibt keine ungepflegten Gräber. Das Beste ist, man deckt die Gräber mit Immergrün ab, dieses ist am pflegeleichtesten. Im Vergleich zu anderen evangelischen Friedhöfen Siebenbürgens sieht der Zeidner Friedhof gut aus. Der ungarische Teil des Friedhofes ist schon zu etwa zwei Dritteln mit Gräbern bedeckt. Übrigens, die Verlängerung der Gebühren für ein Grab kosten derzeit 50 Lei (ca. 14 Euro) für fünf Jahre, für die Pflege der Gräber kann man einen Betrag nach eigenem Ermessen spenden.
Viele Häuser am Marktplatz, in der Langgasse, Mühlgasse und Marktgasse sind renoviert, teils mit sehr knalligen Farben, wie in Rumänien in der letzten Zeit üblich. Leider werden nicht alle Renovierungen nach den Bestimmungen des Denkmalschutzes umgesetzt. Ein Negativbeispiel ist das Eckhaus in der Marktgasse gegenüber der Neuen Schule, in dem sich früher das Brotgeschäft befand. Hier wurde vor einigen Jahren die deutsche Giebelinschrift wieder hergestellt, um jetzt vom neuen Besitzer übertüncht zu werden.
Das Rathaus hat einen Taxistand direkt an der Hauptstraße gegenüber dem Waisenhaus/Notarswohnung genehmigt. In den Blumenbeeten vor der Schwarzburg und der Kirche wurden gerade neue Blumen gepflanzt. Auf den Hauptstraßen sind die Löcher im Belag verschwunden, auf den Seitenstraßen sieht es noch etwas anders aus. An der Kreuzung Mühlgasse/Essig ist ein Kreisverkehr entstanden, weitere an der Neuen Schule an der Kreuzung Marktgasse/Friedhofgasse und Kreuzung Sandgasse und "Im Winkel". Auch zwei Ampeln kann Zeiden mittlerweile vorweisen: eine an der Kronstädter Straße auf der Höhe der früheren Alimentara sowie am Ende der Langgasse auf dem „Darrerech“ an der Abzweigung Richtung Heldsdorf.
Zeiden hat mittlerweile zwei Supermärkte: einen Penny Markt zwischen Colorom und Rathaus sowie einen Plus-Markt auf der anderen Straßenseite vor dem bisherigen Fußballplatz am Neugraben. Auf dem ehemaligen Colorom-Gelände wurde mittlerweile angefangen die Ruinen der ehemaligen Farbstofffabrik abzutragen. Was der Stadt fehlt, ist ein guter Wochenmarkt, so wie er bis vor etwa zwei Jahren an der Ringmauer der Kirchenburg bestand. Jetzt funktioniert ein kleiner Markt auf beengtem Raum im Magura-Blockviertel direkt hinter dem evangelischen Friedhof sowie einige Stände im Blockviertel „9. Mai“. Die neue Verkaufshalle in der Nähe des Rathauses wurde von der Bevölkerung nicht angenommen.
Die Bauwut in Zeiden – wie in ganz Rumänien – ist einzigartig. In dieser Branche tut sich sehr viel. Die ersten Reihenhäuser, die ich in Rumänien gesehen habe, werden direkt hinter der ehemaligen Krausischen Gärtnerei - Richtung Schulfest hin - gebaut. Die untere Hälfte der benachbarten Danska ist mittlerweile zum Großteil bebaut. Riesige Häuser wurden hier dicht aneinander gebaut – viel zu groß für die kleinen Grundstücke. Zwischen diesem neuen „Nelken-Viertel“ und der Steilau ist ein neuer Friedhof für die orthodoxen und freikirchlichen Bürger angelegt worden. Die Steilau sieht zum Teil wie ein Acker aus, weil tiefe Motorradspuren von unten bis oben sichtbar sind.
Der Erlenpark wurde schön hergerichtet. Die Bäume aus meiner Kindheit fehlen zwar, es ist dafür schönes Spielgerät da, und auch die Gehwege wurden neu angelegt. Am Sportplatz der benachbarten Schule wurden Schalensitze montiert. Wenn man den Park hinaufgeht, so wird das Bild dominiert von der riesigen Villa, wo früher das Hotel „Gorun“ stand.
Gute und aufschlussreiche Gespräche konnte ich mit Presbyterin Jutta Adams und Pfarramtssekretärin Brigitte Vladarean sowie in einem Kurzgespräch mit Kurator Arnold Aescht führen. Die Ereignisse in Zeiden seit Herbst 2008 waren hierbei das Hauptthema, aber auch die Suche nach einem neuen Pfarrer für unseren Heimatort und der Dachschaden an der Ringmauer. In Anbetracht dessen, dass die heute in Zeiden Aktiven nicht jünger werden, wird sich ein Stabwechsel in den kommenden Jahren nicht vermeiden lassen. Die Nachbarschaft in Deutschland wird die Kirchengemeinde Zeiden unterstützen, wo ihre Hilfe und ihr Rat gebraucht werden.
Zeiden bleibt für mich meine Heimatstadt und ist immer eine Reise wert. Es tut sich auf jeden Fall einiges in unserem Heimatort. Die Stadt ist nicht mehr das Zeiden von früher, es ist nicht besser oder schlechter, es ist einfach anders. Was sich auf jeden Fall nicht geändert hat und nicht ändern wird - der Zeidner Berg steht wie eh und je da und zeigt uns das gute oder schlechte „Gewedder“.
Rainer Lehni