Pfarramtliche Versorgung verschlechtert sich
Die Situation der evangelischen Kirchengemeinden in der evangelischen Landeskirche Rumäniens und vor allem deren seelsorgerische Versorgung verschlechtert sich trotz vorhandener und verbesserter finanziellen Bedingungen der Kirchengemeinden und verstärkten Anstrengungen des Landeskonsistoriums Hermannstadt zunehmend - ja man kann durchaus sagen – die Situation ist heute, fast 19 Jahre nach der Wende, allgemein besorgniserregend. Es fehlt schlicht weg die Perspektive, es fehlt der theologische Nachwuchs und teilweise auch die Bereitschaft der Absolventen/-innen, nach einer mehrjährigen theologischen Ausbildung, den Beruf des/der Pfarrers/-in in Rumänien, unter sicher erschwerten Bedingungen, auszuüben. Das zunehmende Abwandern in artfremde Berufe ist keine Seltenheit mehr.
Zurzeit werden die in Rumänien rund 14.200 noch lebenden evangelischen Gemeindemitglieder der insgesamt 253 Ortschaften (die Zahl stimmt tatsächlich) von rund 40 Pfarrern/-innen versorgt.
Im Burzenland etwa. werden Kronstadt und die 15 Kirchengemeinden des Kirchenbezirks von einem Dechanten und 7 Pfarrern/-innen versorgt. Mit rund 4.800 Gemeindegliedern zählt der Kirchenbezirk Kronstadt (ihm gehört auch die evangeilische Kirchengemeinde in Bukarest an) zum größten der Landeskirche. Dabei ist Zeiden mit 452 Seelen (Stand: 30. Juni 2008), nach Kronstadt, immer noch die zweitgrößte Kirchengemeinde des Burzenlandes.
Zurzeit bereiten dem evangelischen Landeskonsistorium die Neubesetzung der Pfarrstellen in Bukarest, Schäßburg und Zeiden (an sich alles attraktive Stadtpfarrgemeinden, mit kirchlich gewachsenen Strukturen) ernsthaft Probleme. Die Pfarrstelle in Zeiden ist seit der Umsetzung von Pfarrer Klaus Martin Untch nach Stolzenburg/Großscheuern am 1. Januar 2008 vakant. Die Leitung der Kirchengemeinde liegt seit über zehn Monaten in den Händen eines achtköpfigen Presbyteriums, das sich nach Kräften bemüht, die Pfarrvakanz weiterhin schadlos zu überstehen und der Kirchengemeinde den Halt zu geben, der nötig ist, um als eigenständige Gemeinde zu überleben. Die pfarramtliche Versorgung der Gemeinde und die Kasualvertretung übernehmen die Burzenländer Pfarrer/innen und Lektoren/-innen im Wechsel. Damit kann wenigstens der regelmäßige Sonntagsgottesdienst und so der Kern des kirchlichen Lebens - noch - aufrechterhalten werden. Die Frage, die sich aber besonders heute stellt ist: Wie lange ist das noch möglich?
Eine seelsorgerische Betreuung der zunehmend resignierenden Gemeindeglieder, die gerade in einer pfarrerlosen Phase dringend nötig wäre, findet personell bedingt nicht statt. Der Burzenländer Dechant Christian Plajer zeigte sich anlässlich unserer fünftägigen Besuchsreise in Zeiden bei unserem Gespräch mit ihm am 26. Oktober 2008 in Zeiden besorgt über den momentanen Zustand. Dechant Plajer hofft jedoch, auch im Interesse seiner Pfarrkollegen, dass die Pfarrstelle in Zeiden bis spätestens März/April 2009 wieder besetzt werden kann und kirchliches Leben in Zeiden wieder verstärkt Einzug hält.
Nach dem die zweimalige Ausschreibung der Pfarrstelle durch die Kirchengemeinde nicht den erhofften Erfolg gebracht hat, liegt es jetzt an Landesbischof D.Dr. Christoph Klein, baldmöglichst und vor allem offiziell, einen Pfarrer für Zeiden zu benennen. Im Gespräch ist ein junger Vikar, der zurzeit in Bukarest sein Vikariat absolviert.
Fragt man heute nach den Gründen für diese fast vorausschaubare Entwicklung, so werden meistens der fehlende theologische Nachwuchs, die schlechten Verdienstmöglichkeiten und sicher auch die fehlenden beruflichen Perspektiven als Antwort aufgeführt – Gründe also, die darauf schließen lassen, dass sich die Kirchengemeinden der Landeskirche und die evangelische Kirchenleitung in den nächsten Jahren auf dramatisch veränderte Bedingungen einstellen müssen. Der nach 1990 eingetretene Wandel von der sächsischen Volkskirche zur universellen Diasporakirche ist auch in Zeiden längst vollzogen. Im Kirchenalltag, in dem die Ökumene einen wichtigen Faktor darstellt, ist das zunehmend sichtbar. Die Frage, die einen zunehmend beschäftigt, wird sein, wie behauptet sich die klein gewordene evangelische Kirche künftig in seinem ökumenischen Umfeld und welche Überlebenschancen hat sie überhaupt noch? Die Antwort auf diese schwierige Frage sind wir uns auf dem Rückflug von Hermannstadt nach München schuldig geblieben.
(Vom 23. bis 28. Oktober 2008 besuchten Nachbarvater Udo Buhn und Helmuth Mieskes vom Vorstand der Zeidner Nachbarschaft Zeiden)
Böbingen, den 6. November 2008
Helmuth Mieskes