Ein Heimattag mit vielen Superlativen!
Wie jedes Jahr bildete Dinkelsbühl einen Höhepunkt im Leben der siebenbürgischen Gemeinschaft in Deutschland, auf dem auch die Zeidner wieder vertreten waren.
Schon am Pfingstsamstag war ein volles Programm: Sportturniere der Jugend und ab 9 Uhr Eröffnung der Ausstellungen (teils mit Verkauf) im katholischen Pfarrheim, in der St. Pauls-Kirche, im evangelischen Gemeindehaus, im Spitalshof
- Sachsenburg am Neckar – Schloss Horneck in Gundelsheim
- Kirchenraum im Wandel
- Melanchton – von Wittenberg bis Siebenbürgen
- Der Siebenbürgische Karpatenverein
- Kirchen und Kirchenburgen in Siebenbürgen
- Gestickte Sinnsprüche aus Siebenbürgen
- Katharina Zipser: Gemälde, Zeichnungen
und überall ein reiches Angebot von guten Büchern.
11 Uhr eröffnete Alfred Mrass (Vorsitzender der Landesgruppe Baden-Württemberg) den Heimattag und begrüßte alle Ehrengäste und Besucher. Der Schrannen-Festsaal war bis auf den letzten Platz besetzt.
Es folgten mehrere interessante Ansprachen. Ein paar Gedanken aus der Rede von Günther Beckstein, bayrischer Ministerpräsident, möchte ich hier aufschreiben. Beckstein war schon öfters in Rumänien, in Siebenbürgen. Er lobte den Fleiß und die Genügsamkeit, den wichtigen Beitrag der Siebenbürger Sachsen sowie deren Rolle zum europäischen Einigungsprozess. Beckstein sprach über Einheit in der Vielfalt, mit der Bewahrung der eigenen Identität zu einheitlichem Handeln zu gelangen und eine „versöhnte Verschiedenheit“ in Europa anzustreben. Er wies hin auf die Bedeutung von Heimat als festes Fundament in einer globalisierten Welt. Individualität ist wichtig – nicht um sich über andere zu erheben, sondern um diesen seinen Reichtum zu bewahren, um Selbstbewusstsein für die eigene Kultur zu entwickeln, eine gesunde Heimatliebe zu empfinden – einen aufgeklärten Patriotismus gegen jeden übersteigerten Nationalismus. Es ist wichtig, der Jugend das Bewusstsein unserer Geschichte zu vermitteln.
Der Oberbürgermeister von Dinkelsbühl, Dr. Christoph Hammer, nennt die Siebenbürger eine große, weltumspannende Familie, die zusammen mit über 14 Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen viel Leid und Unrecht erdulden mussten. Das Motto dieses Heimattages „Brücken über Grenzen“ war sowohl für die Redner als auch für uns alle ein guter Ausgangspunkt, um über Grenzen nachzudenken und zu sprechen. Denn wenn auch die meisten geographischen Barrieren innerhalb Europas gefallen sind, so gibt es doch noch viele Grenzen in unseren Köpfen, zwischen Religionen, Kulturen, Generationen…Suchen und bauen wir also Brücken zu neuen Erkenntnissen – auch über Abgründe hinweg! Versuchen wir doch, sie zu erkennen, zu verstehen, zu überwinden!
Dr. Bernd Fabritius, Vorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, überreichte unter großem Applaus das Goldene Ehrenwappen an Dr. Beckstein und an Dr. Hammer. Der kulturelle Höhepunkt dieses Heimattages war für mich das Konzert der „Lidertrun“. Die Sänger verleihen uns Sachsen, einer Schicksalsgemeinschaft im Karpatenbogen, ihre Stimme. Die teils fröhlichen, teils nachdenklichen oder tragischen Balladen, begleitet auf uralten Instrumenten, versetzen uns zurück in graue Vorzeit, ja sogar bis in die Einwanderungszeit von Siebenbürgen. Sie erwecken Visionen, Heimatgefühle… Ihre Musik klingt archaisch und doch sehr modern, sehr professionell, virtuos – einfach hinreißend.
Sonntag 9 Uhr Pfingstgottesdienst. Die St. Pauls-Kirche ist brechend voll. Die Birken erinnern mich an früher… An der Orgel: Ilse Maria Reich – einfach großartig. Dekan i.R. Hermann Schuller predigt über die Bedeutung von Pfingsten, über das Sprachwunder von Jerusalem, als die Apostel und die Gläubigen „in verschiedenen Zungen“ redeten und einander verstanden. Der Heilige Geist ermöglichte es. Unwillkürlich musste ich daran denken, wie schwer wir uns manchmal untereinander verstehen – oder auch nicht! – obwohl wir doch nur eine und die gleiche Sprache sprechen! – Der Chor der Kreisgruppen Böblingen und Bietigheim-Bissingen unter der Leitung von Effi Kaufmes bereicherte den Gottesdienst. Besonders eindringlich empfand ich den Choral „Nimm mich bei der Hand, Vater!“. Danke, Effi!
Und dann der Trachtenumzug, erwartet und bestaunt wie jedes Jahr von Tausenden von Zuschauern. Ines Wenzel moderierte gekonnt und berichtete viel Wissenswertes über Trachten, Sitten und Bräuche… Ich entdeckte viele Zeidner, über welche ich mich sehr freute und für deren Engagement ich herzlich danken möchte – auch im Namen des Vorstandes der Zeidner Nachbarschaft.
Vorne marschierte Rainer Lehni. Dann entdeckte ich Heinz Mieskes, Leiter der Neckar-Musikanten; Helmuth Kraus, Dirigent der Blaskapelle Augsburg; die Trachtengruppe Rosenheim unter der Leitung von Hedwig Zermen. Die Zeidner Nachbarschaft geleitet von Annette Königes erfreute mich natürlich ganz besonders. Ob sie wohl meine Bravo-Rufe gehört haben? Rüdiger Nierescher trug die Fahne, Gert Liess das Ortsschild. Dabei waren noch Elke Bartesch, Ralf Ziegler, Jürgen Zeides, Helmuth Mieskes, Günther Bergel, Schuster Hans, Monika Santa, Manfred Kuwer, Marianne und Hermann Kassnel, Effi Kaufmes, Karin Kraus, Anneliese, geb. Mieskes und ihr Ehemann sowie Netti Königes. Ihr wart großartig! Schön wär’s, wenn nächstes Jahr noch mehr Zeidner mitmarschieren…
Die Kundgebung vor der Schranne bot viel Interessantes. Nach dem „Geistlichen Wort“ von Dechant Hans Bruno Fröhlich (Schäßburg) sprach Dr. Bernd Fabritius „Wallen mer bleiwen wat mer sen?“ Siebenbürgen wird wohl noch länger unsere geistige Heimat bleiben. Unser kollektives Selbstverständnis und unsere Werte mögen wir uns erhalten, unseren Kindern und Enkeln sollen wir unsere Geschichten erzählen und von unserer Kultur, die das wertvollste ist, was wir haben. Sie ist ein Teil der deutschen und schließlich der europäischen Kultur. Er erinnert an die Bedeutung von Gundelsheim! Klaus Johannis, Bürgermeister von Hermannstadt, überbringt Grüße aus der alten Heimat.
Am Nachmittag gab es Beratungen zu Rentenfragen und zum Lastenausgleichsrecht, es gab eine Zaubershow, Volkstanz, Lesungen… und schließlich im feierlichen Rahmen in der St. Pauls-Kirche die Preisverleihungen. Wir gratulieren besonders Ines Wenzel, die den siebenbürgisch–sächsischen Jugendpreis 2008 erhielt. Ausgezeichnet wurden noch Dr. Paul Milata, Frank Thomas Ziegler, Dr. Günther H. Tontsch (post mortem) und Katharina Zipser. Bis spät nach Mitternacht feierten die Jugendlichen im Festzelt, während sich die etwas reifere Generation im Schrannen-Festsaal unterhielt.
Davor fand jedoch noch der Fackelzug zur Gedenkstätte statt. Er schien unendlich lang, sehr feierlich, sehr ergreifend. Wir dachten an die vielen Toten der beiden Weltkriege, deren andenken wir in Ehren halten wollen, wir dachten an Flucht und Vertreibung, an das Schicksal unseres Völkchens… Pfarrer i.R. Werner Knall hielt eine Ansprache vor dem mit vielen Blumen geschmückten Denkmal und die Dinkelsbühler Knabenkapelle ließ den Großen Zapfenstreich erklingen. Es blieb wohl kaum ein Auge trocken.
Am Montag wohnten wir der Podiumsdiskussion bei. Ein paar Ideen aus diesen Gesprächen möchte ich hier erwähnen. Dechant Fröhlich (Schäßburg): „Es ist ungeheuer spannend, jetzt in Siebenbürgen zu leben!“. Ines Wenzel: „Die Jugendarbeit stellt uns vor eine sehr große Aufgabe. Ich sehe zuversichtlich in die Zukunft.“. Dr. Fabritius: Er erinnert an die Erfolge unseres Verbandes (Renten für Aussiedler), erwähnt die Probleme bei der Restitution und die neuen Aufgaben unseres Verbandes, Mitgliederwerbung… „Wir sollten nicht nur in Erwartungshaltung verharren, sondern tatkräftig mithelfen, wo wir können.“ Klaus Johannis spricht über Identität, Werte, über die Arbeit des Deutschen Forums. Pfarrer Petri ist nachdenklich. Wie sieht die Zukunft für uns Siebenbürger aus? Die Kirchenburgen bleiben in unseren Herzen… Brauchen wir neue Inhalte, neue Ziele? Was können wir werden, was bleiben?
Wir wollen es versuchen: „Mer waulen blaiwen, wat mer sen!“