05.09.2021

Zeidner Waldbad weckt auch 2021 schöne Erinnerungen an früher

Anlässlich des 4. Arbeitscamps in Zeiden im August dieses Jahres hatte sich eine siebenköpfige Gruppe an einem Sonntagnachmittag aufgemacht, dem Zeidner Waldbad den obligatorischen Besuch abzustatten.  Da wir am gleichen Tag der Einladung von Organist Klaus Dieter Untch zum Orgelkonzert in die Evangelischen Kirche folgen wollten, hatten wir uns für die Autofahrt entschieden. Bereits beim Abbiegen von der Nationalstraße in den idyllischen Weg ins Waldbad, fiel auf, dass beim „Cotul donului“ sowohl die stillgelegte Tankstelle als auch die Gaststätte dem Verfall preisgegeben werden und der unschöne Anblick ahnen lässt, dass nach mehr als 30 Jahren niemand ein Interesse daran hat, diesen Schandfleck von dort zu entfernen. Warum auch? Solche Bauruinen, um die sich niemand kümmert, gibt es zuhauf in Rumänien. Und so lange zur Beseitigung keine EU Mittel zur Verfügung stehen, besteht anscheinend auch kein Handlungsbedarf.

Bereits unterhalb der ehemaligen Villa Witting parkten unzählige Fahrzeuge links und rechts der Straße so, als würde es für diese Waldbadbesucher keine Verkehrsordnung geben. Weit und breit keine Ordnungshüter. Positiv zu werten ist, dass keine Parkgebühren erhoben werden.   Angesichts der Autos, die Stoßstange an Stoßstange den Weg bis zum Eingang zierten, vermuteten wir eine hohe Besucherfrequenz, denn schließlich war bei hoch sommerlichen Temperaturen ausgesprochenes Badewetter.

Doch weit gefehlt. Und die Erklärung lag auf der Hand. 20 RON Eintritt (4,11 EURO) für die Erwachsenen und 10 RON für Kinder – wahrlich happige Eintrittspreise, sorgen dafür, dass dieses Waldbad selbst bei Badewetter nur von jungen Besserverdienenden oder Neureichen (die gibt es tatsächlich im Kreis Kronstadt) angenommen wird. Auf unsere Anfrage hin erfuhren wir, dass die meisten Ausflügler, vor allem junge Familien mit Kindern, und Gruppen ihren Badespaß zum Nulltarif am zweiten See im Goldbachtal vorziehen.

Bei überlauter und eintöniger Technomusik betraten wir, doch sehr überrascht und dennoch enttäuscht, die Waldbadwiese, auf der ein paar weiße Liegen und Werbe-Sonnenschirme darauf hindeuten, dass sich gegenüber früher doch einiges verändert hat. 40 bis 50 meist junge, sonnengebräunte Besucher zierten die Wiese und vermittelten einen zufriedenen Eindruck. Weitere 10 bis 15 Personen saßen auf der Terrasse.

Tiefe Autospuren, die zu den beiden Stauseen hinführen, markierten den Rand der ansonsten gepflegten Waldbadwiese. Doch der Weg ist versperrt, denn eine entwurzelte und umgefallene Buche wurde einfach liegen gelassen. Dahinter, aber das können nur Insider wissen, steht ein zerfallenes Toilettenaus, dessen Überreste wohl niemand wegräumen möchte. Ein in der Verlängerung der Terrasse angelegtes Volleyballfeld mit Netzvorrichtung ist unbespielbar.

Tiefe Stolperfallen und eine ungepflegte Rasenfläche machen deutlich, dass Freizeitsport nicht im Angebot des Betreibers enthalten ist. Und spätestens, wenn man seinen etwas verstörten Blick auf den ersten See – den einstigen „Snagov“ des Burzenlandes  - wendet, dessen Wasser jetzt im Sommer abgelassen wurde, hat man eigentlich genug gesehen.

Man steht da und schüttelt einfach nur den Kopf. Wäre da nicht die provisorische überdachte Terrasse, wo man immerhin ein kühles Bier kaufen kann. Hat man jedoch Hunger, so hat man Pech. Weit und breit keine Gastronomie. Kein Geruch von Holzkohle, keine Spur von der hoch gelobten rumänischen Küche. Konnte man 2011 und 2014 zumindest Gegrilltes (nach üblichem Schlangestehen) käuflich erwerben, hat man jetzt lediglich die Möglichkeit, sich über den Pizza-Service eine Pizza zu bestellen und liefern zu lassen. Welch Fortschritt und einfallsreicher Wandel.  

Und da wir ja zumindest einmal ins Wasser springen wollten, um dem „wohligen“ Gefühl aus Kindheitstagen näher zu kommen, begaben wir uns auf die Suche nach den Umkleidekabinen. Dort wo einst oberhalb vom Schwimmbecken in zwei Reihen 100 schmucke Holzkabinen standen, steht schon lange nichts mehr. Das meterhohe Unkraut und der Baumbewuchs wuchert wild vor sich hin, und niemanden stört scheinbar dieser unschöne Anblick.

Als wir endlich drei – ich betone drei  -  provisorische „Kabinen“ (ein unhygienischer Holzverschlag mit schwarzen Plastikvorhängen) in Höhe des Kinderbeckens, gefunden hatten und wir uns umziehen konnten, wurde uns bewusst, welch hohen Standard  „unser Waldbad“ früher mal hatte und welcher Selbstverständlichkeiten man sich damals bedienen durfte.

Zu unserer Überraschung war das Becken sauber und das durchfließende, sonnendurchflutete Wasser funkelte wie einst. Kein Wunder, denn im Wasser tummelten sich gerade mal ein paar hart gesottene Badegäste. Weitere Badegäste genossen die Sonne links und rechts vom Becken. Das hintere Nichtschwimmerbecken, das durch den hohen Baumbewuchs schon längst im Schatten lag, war verwaist.

Der Sprung ins Wasser (die Wassertemperatur ist mit 18 Grad Celsius unverändert) fiel nicht allen gleich leicht, aber mit ein bisschen Überwindung, durften die Badewilligen unter uns sich erfrischen und einige Bahnen schwimmen. Dort, wo einst ein stolzer Sprungturm stand, steht heute ein bunt bemalter Betonklotz, der an den Sprungturm aus der Zeit vor 1989/90  erinnert. Armseliges Waldbad. Nicht einmal ein Sprung vom Sprungturm war uns an diesem Tag vergönnt.

Nach der frischen Abkühlung tauschten wir unsere stets lebendigen Waldbad-Erinnerungen der sechziger und siebziger Jahre am Beckenrad ausgiebig aus. Besonders Udo (Buhn) und ich wussten vieles zu erzählen, weil das Waldbad für uns wirklich was Besonderes war, und wir uns unsere Kindheit und Jugendzeit ohne dieses Waldbad gar nicht vorstellen konnten. Viele Erinnerungen an schöne und ausgedehnte Waldbadausflüge, an unbeschwerte Ferien- und Urlaubstage sind nicht nur für uns, sondern auch für die einstige sächsische Einwohnerschaft Zeidens mit diesem Waldbad – ein wahrlicher Quell der Erholung - verbunden. Und es war den Erzählenden anzumerken, dass beim Erzählen ein bisschen Wehmut aufkam.

Als wir (damit meine ich die Evangelische Kirchengemeinde und die Vertreter der Zeidner Nachbarschaft) 2004 vom jetzigen Betreiber des Waldbades, Rechtsanwalt Pavel, die Erlaubnis erhielten, das 100-jährige Jubiläum des Zeidner Waldbades, anlässlich der 2. Zeidner Begegnung, vor Ort zu feiern, hatten wir die Hoffnung, dass sich die Eigentumsverhältnisse zügig klären ließen, der Rechtsstreit mit der Stadt beigelegt wird und der Investor freie Hand hat, um seine Umbau- und Investitionspläne zu verwirklichen.

Die damaligen Äußerungen und großmundigen Vorstellungen klangen auf jeden Fall vielversprechend. Heute, 17 Jahre danach, ist die Situation noch immer etwas undurchsichtig und ungeklärt, und es bleibt abzuwarten, ob dem einstigen touristischen Juwel des Burzenlandes irgendwann zu neuem Glanz verholfen wird.  Fest steht jedoch, dass, so lange die Eigentumsverhältnisse nicht zu Gunsten des jetzigen Betreibers geklärt werden, das Waldbad weiterhin vor sich hindümpelt, ein teures Sommerrefugium für Einzelne bleibt  und unsere Enttäuschung über den Zustand und die ungewisse Zukunft des Waldbades von Jahr zu Jahr wachsen wird. Was bleibt  - ist die Erinnerung.

Helmuth Mieskes

Böbingen

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