23.12.2017

Zeidner Pfarrer schreiben Geschichte

Das ZEIDNER GEMEINDEBLATT - eine neue Geschichtsquelle in anderer Form

Als der aus Kronstadt stammende Zeidner Ortspfarrer Joseph Dück (1814-1883) im Jahr 1877 anlässlich der Versammlung des Burzenländer evangelischen Zweig-Vereines der Gustav-Adolf-Stiftung den „Glaubensbrüder und Volksgenossen“ eine Freude bereiten wollte, schenkte er ihnen als Festgabe die „ZEIDNER DENKWÜDIGKEITEN vom Jahr 1335 bis zum Jahre 1847“ – eine „localgeschichtliche“ Zusammenfassung, die die örtlichen Verhältnisse Zeidens betraf.  Dabei vermerkte er in seinem Vorwort: „Es ist eine unleugbare Wahrheit , dass das Leben eines Volkes überall ausstirbt, wo das Licht der alten Erinnerungen an der Vorfahren Wollen und Streben, Thun und Leiden zu erlöschen beginnt.“ Wie recht er doch hatte.

Mit diesem Erstlingswerk eines Ortspfarrers,  der als Hauptquellen die Zeidner Turmknopfschrift von Pfarrer Georg Draudt von 1794 und die historischen Notizen der „Annales Czeidinenses“ nützte, und das im Jahr 1335 mit dem Überfall der Tataren begann („… legten die Tataren den ganzen Ort in Asche“) und am 31. Dezember 1847 mit der Erwähnung eines Erdbebens im Ort endete, begann eine besondere Art der Geschichtsschreibung. Man kann sie durchaus als kleine Chronik durch fünf bewegte Jahrhunderte bezeichnen.

In der Folgezeit dauerte es dann einige Jahrzehnte, bis sich Pfarrer Johann Leonhardt der Geschichte Zeidens näher annahm und mit seinem Büchlein „Zeiden in Vergangenheit und Gegenwart“ 1912, die von Pfarrer Dück niedergeschriebenen geschichtlichen Denkwürdigkeiten „ausbaute“ und erweiterte und die Zeit von den Anfängen bis zum Jahr  1568 (Fürst Sigismunds Besuch in Kronstadt) mit fundierteren Geschichtskenntnissen über Zeiden versah. Zudem erweiterte er sein Büchlein mit dem für damalige Verhältnisse sehr aufschlussreichen  „Führer für Zeiden und Umgebung“, - einem brauchbaren „Reiseführer“, der seiner damaligen Aufgabe sicher gerecht wurde.

Als dann Pfarrer Johannes Reichart 1917 in Zeiden als Pfarrer eingeführt wurde, kam er als guter Kenner der siebenbürgischen Kirchenverfassung nicht umhin, den Paragrafen 66 der Verfassung „durch den Druck zu vermittelnde Kundgebungen wirksamst zu fördern“ ernst zu nehmen, und dieser Pflicht bereits zu Beginn seiner Amtszeit nachzukommen. In Anlehnung an die bereits vorhandenen „Zeidner Denkwürdigkeiten“ von 1877 ließ er die rein kirchlichen Veröffentlichungen der Evangelischen Kirchengemeinde ab dem Jahr 1917 bis 1926 (für jedes Jahr einzeln und für mehrere Jahre (1918-1921, 1924-1926) zusammengefasst als Zeidner Denkwürdigkeiten veröffentlichen. Damit gelang es ihm vor allem die nicht so kirchentreuen Gemeindeglieder und Gottesdienstbesucher seiner Gemeinde in der Nachkriegszeit auch umfassend zu informieren und damit – außerhalb der Kanzel - ein gewisses Maß an  Rechenschaft vor der Gemeinde abzulegen. Das war wichtig, denn Geld und Glaubwürdigkeit spielten in der Kirche immer eine besondere Rolle. Vor allem die Informationen über die Volksbewegung, das Rechnungswesen, die vielzähligen Fonds und Stiftungen, die Gaben- und Ehrentafel, die Höhe der Spenden und Gaben einzelner Gemeindeglieder, wurden der Kirchengemeinde umfassend und sehr transparent  zur Kenntnis gebracht.

Mit der umfangreichen Liste der Spenden für das Kriegerdenkmal, das am 24. Mai 1928 auf dem Zeidner Kirchhof feierlich eingeweiht wurde, enden Pfarrer Reicharts Zeidner Denkwürdigkeiten mit dem Jahr 1926  (Herausgabe 1928). Wieso er diese „Fleißaufgabe eines Ortspfarrers“ nicht bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand (31.Dezember 1934) weitergeführt hat, hing mit der Tatsache zusammen, dass das Presbyterium beschlossen hatte, ab dem Jahr 1928 das Zeidner Gemeindeblatt (später auch Zeidner evang. Gemeindeblatt) herauszugeben.   Dieses umfassende Informationsblatt, das wöchentlich erschien und für das jeweils der amtierende Ortspfarrer als Schriftleiter fungierte, enthielt neben kirchlichen auch wieder amtliche Mitteilungen des Gemeindeamtes Zeiden. Außerdem wurden Kundmachungen, Einladungen und Anzeigen aufgenommen.

In der Zeit von 1928 bis 1945 verantworteten zuerst Pfarrer und Dechant Johannes Reichart (bis 1934) und danach Pfarrer Richard Bell die Herausgabe. Zwischenzeitlich übernahmen Pfarrverweser Heinrich Wagner, Prediger Thomas Dück, Prediger Ziegler und Pfarrer Leopold Priebisch, zum Teil  in Vertretung, diese Aufgabe.  Parallel dazu erschien etwas später 1938 der „Zeidner Beobachter“, in den Jahren 1942-1944 die „Zeidner Nachrichten“, 1946 die „Amtlichen Kundmachungen des Gemeindeamtes Zeiden“ und anschließend von 1948-1950 die „Kundmachung“. Auf die letzteren Informationsblätter nach dem Zweiten Weltkrieg hatte das Pfarramt keinen Einfluss mehr. Bei der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft wurde der Kirche nur noch  wenig Spielraum eingeräumt  und die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit durch gezielte Verbote und neue Gesetze  bewusst unterbunden.

Die Evangelische Kirche verschwand in der kommunistischen Zeit in Rumänien – was die Information nach außen betraf – in der Versenkung und den Gemeindegliedern blieb nur noch die „Mund-zu- Mund-Information“ und natürlich der sonntägliche Gottesdienstbesuch, bei dem die Abkündigung von kirchlichen Mitteilungen weiterhin möglich war.

Weder Pfarrer Richard Bell (nach 1945), noch seinen beiden Nachfolgern im Amt, Hermann Thalmann (1971-1990) und  Dieter-Georg Barthmes (1970-1975) war es bis zur Revolution im Jahr 1989  vergönnt, in der Gemeinde umfassend schriftlich über das kirchliche Leben zu berichten. Bis auf die jährlichen Rechenschaftsberichte der Kirchengemeinde, die dem Landeskonsistorium gegenüber abgegeben werden mussten, gibt es keine brauchbaren und aufschlussreichen Aufzeichnungen mit relevanten Nachrichten des Pfarramts für diese Zeitspanne.

Nach der Wende sank die Gemeindemitgliederzahl innerhalb von nur zehn Jahren von 2169 Seelen (1989) auf  501 (31. Dezember 1999). Die verstärkte Auswanderung in die Bundesrepublik Deutschland hinterließ für das Gemeindeleben sichtbare Spuren. Ab 1992 nahmen Kurator Arnold Aescht und Pfarrer Heinz-Georg Schwarz die Möglichkeit wahr, den jährlichen Rechenschaftsbericht der Evang. Kirchengemeinde dem Zeidner Gruß zur Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen. Damit wurden die Zeidner in Deutschland und in Österreich über ihr Heimatblatt einmal jährlich über die Geschehnisse in der Kirchengemeinde und das kirchliche Leben in Zeiden umfassend informiert. Das war neu und fand innerhalb der Leserschaft guten Anklang. Dieser damals nicht selbstverständlichen Bereitwilligkeit schlossen sich Pfarrer Klaus Martin Untch (ab 2002) und der jetzige Amtsinhaber Andreas Hartig (ab 2009) in den Folgejahren an. Heute ist der Rechenschaftsbericht fester Bestandteil der ersten von zwei Jahresausgaben.

Als der Vorstand der Zeidner Nachbarschaft im Jahr 1983 beschloss, eine neue Schriftenreihe „Zeidner Denkwürdigkeiten“ herauszugeben, ahnte niemand, dass die Vision von Altnachbarvater Balduin Herter, die Ortsgeschichte Zeidens durch neue Publikationen lebendig werden zu lassen, umgesetzt werden würde. Heute zählt die Schriftenreihe, die durch den Zeidner Ortsgeschichtlichen Gesprächskreis (ZOG) verantwortet und die Zeidner Nachbarschaft finanziert wird,  19 Hefte und Bücher. Weitere zwei Dokumentationen stehen in den nächsten beiden Jahren zur Veröffentlichung an.

Mit dem Heimatbuch „Zeiden – eine Stadt im Burzenland“ von Georg Gotthelf Zell (1994), der „Denkmaltopographie Siebenbürgen – Kreis Kronstadt“ (2002) und dem „Communitäts-Verhandlungsprotocoll  der Marktgemeinde Zeiden 1800-1866“ (2017) – der letzten Neuerscheinung unserer Nachbarschaft - verfügt die Zeidner Leserschaft über weitere interessante Heimatlektüre.  Diese wurde durch den Zeidner Organisten Klaus-Dieter Untch mit der „Zeidner Chronik 2014“, die er im Auftrag des Zeidner Ortsforums im März 2015 vielversprechend herausgebracht hatte, sehr anschaulich erweitert. Leider blieb diese Chronik, die einen hohen Informationscharakter aufwies, eine  einmalige Angelegenheit.

Das alles ist Geschichte und gehört der Vergangenheit an. Es ist gut zu wissen, wo und vor allem was wir über unseren Heimatort nachlesen können und wie es um das Wissen um unseren Heimatort und „unsere“ Kirchengemeinde bestellt ist.  Und da Geschichte ein fortlaufender Prozess ist, der über Jahre, Jahrzehnte, ja Jahrtausende fortgeschrieben werden muss, tun wir gut daran, diesen Prozess, soweit es geht, zu begleiten und ihn mit Informationen, Meinungen und wichtigen Fakten unterschiedlicher Art zu belegen.

Deshalb begrüßen wir die Idee von Pfarrer Andreas Hartig, das traditionsreiche und ehrfürchtige Zeidner Gemeindeblatt („dar Bafial“) nach über 72 Jahren zu reaktivieren  und das neue Blatt vierteljährlich, im Auftrag der Evang. Kirchengemeinde A.B. Zeiden, herausgeben zu wollen. Die erste Ausgabe – reich bebildert und sehr informativ -  erschien bereits vor Pfingsten in diesem Jahr. Wir hoffen, dass Pfarrer Hartig auf der Suche nach bereitwilligen und engagierten Mitarbeitern für sein Redaktionsteam schnell fündig wird, um ab Herbst 2017 eine kontinuierliche Herausgabe sicher zu stellen und sein ehrgeiziges Projekt von Erfolg gekrönt wird. Damit wäre Pfarrer Hartig vorläufig der letzte in der Reihe von namhaften Amtsvorgängern, die Kirchengeschichte schreiben. Dies, in einer nicht einfachen Situation der Kirche und zudem in einer zahlenmäßig schrumpfenden Kirchengemeinde zu tun, verdient unsere Anerkennung.

Fest steht schon jetzt, dass sich Zeidner Gruß und das Zeidner Gemeindeblatt in den nächsten Jahren hinsichtlich des Informationscharakters in hervorragender Weise ergänzen werden. Was für den Zeidner Gruß gilt, gilt natürlich auch für das Gemeindeblatt. Ist man Mitglied der Nachbarschaft und der Evang. Kirchengemeinde, so werden einem sowohl der Zeidner Gruß als auch das Zeidner Gemeindeblatt zugestellt.

In einer Phase, in der wir als Nachbarschaft das kommunalpolitische und kirchliche Geschehen in Zeiden nach wie vor nur aus der Ferne beobachten, werden wir auch künftig jede uns sich bietende Möglichkeit wahrnehmen, um über unseren Heimatort umfassend zu berichten. Allen die dazu beitragen, dass eine Berichterstattung auch künftig möglich ist, gilt der Dank des Vorstandes der Zeidner Nachbarschaft und des Redaktionsteams „Zeidner Gruß“.

Helmuth Mieskes, Böbingen