17.12.2017

Weihnachten 1957 in Zeiden

Bild: Zeidner Fotoarchiv

von Kurt Schoppel (leicht gekürzt)

Es war in der Zeit, in der die Kommunisten gegen die christlichen Feiertage jeglichen Glaubens ankämpften und mit allen Mitteln versuchten diese Feiertage zu verbieten. So war es auch mit den Weihnachtsfeiertagen. Nach dem russisch-kommunistischem Brauch gab es keine Weihnachten, es wurde „Väterchen Frost“ in den ersten Tagen des Neuen Jahres gefeiert. So wollten es die Kommunisten auch in Rumänien einführen. Die Tradition aber ist stärker als die Verordnung der Partei, denn es wurde versucht und das mit Erfolg, die religiösen Feiertage zu feiern, dann wenn es der kirchliche Kalender vorsah. Viele Personen in der Kommunistischen Partei waren  nicht der Meinung diese religiösen Feiertage nicht abzuhalten. Dieser Personenkreis war so vernünftig, dass sie diese Feiertage tolerierten in dem sie wegschauten. Natürlich gab es immer auch welche, die Anstoß nahmen, aber das waren nur wenige. Man muss es wissen, die rumänische Nation ist sehr gläubig, das hat man immer wieder feststellen können. Zum Beispiel wenn ein Staatsangestellter ein Kind taufen sollte, geschah es nicht in der Kirche wie üblich, der Pfarrer wurde nach Hause gerufen und die christliche Taufe wurde vollzogen, ohne es in der Öffentlichkeit kund zu tun. Die Personen die nicht der Kommunistischen Partei angehörten aber im Staatsdienst waren, mieden die Kirche, aus Vorsicht weil es für Sie verboten war die Kirche öffentlich zu besuchen. Zum Beispiel die im Schuldienst tätigen Personen waren hier sehr vorsichtig und mieden den Kirchgang.

Nun war es kurz vor Heiligabend, dem 24. Dezember 1957. Die Kirche in Zeiden hatte keinen Weihnachtsbaum, weil es verboten war zum 24. Dezember einen Baum zu besorgen, ja es war überhaupt verboten einen Tannenbaum vor dem „Väterchen Frost“, dem 1. Januar zu besorgen.

Nun stand die Zeidner Kirche da, Weihnachten nahte,  die Aufregung in der Kirchenvertretung in Zeiden  war groß, da kein Weihnachtsbaum in der notwendigen Größe besorgt werden konnte. Mein Vater Franz Schoppel hatte gute Verbindungen zum Forstamt, da das Forstamt auch Kunde in der   Schmiede Franz Schoppel war. Der Kirchenvater Hans Hiel (Kartschenhiel sein Spitzname), kam zu meinem Vater und bat ihn mit dem Forstamt zu sprechen, um eine Sondergenehmigung zu erwirken. Franz Schoppel sprach mit dem Vorgesetzten des Forstamtes, der blockte ab, weil der Förster für jeden Baum im Wald die Verantwortung trägt und er diesem nicht anordnen konnte,  einen Baum für die Kirche fällen zu lassen. Es wurde dann doch eine theoretische Zusage erteilt, in der der Vorgesetzte des Forstamtes versprach, den Förster zu bitten es zu ermöglichen, einen Tannenbaum schlagen zu lassen.

Der entsprechende Förster im Grad eines Brigadiers, der über eine sehr große Waldfläche Verantwortung trug, hatte einige Waldhüter unter seiner Aufsicht. Jetzt wurde die Bitte an den Brigadier delegiert, der nun mit dem Waldhüter aus dem Concordia-Wald uns erlauben sollte, eine große Tanne für die Kirche in Zeiden zu fällen. Mit dieser mündlichen Zusage sind wir dann mit dem Pferdegespann von Hans Roth in Begleitung von Michael Zeides damals Altknecht, Günther Kloos und Kurt Schoppel in den Wald bei Concordia gefahren, in der Gewissheit der Waldhüter ist in diese Sache eingeweiht. Wir haben den Baum für die Kirche gefällt, haben noch einige kleinere Tannenbäume geschnitten und alles auf den Wagen gepackt. Als wir den Wald verlassen haben und uns auf der Hauptstraße befanden, wurden wir vom Waldhüter angehalten. Wir mussten sofort alles was auf dem Wagen an Tannen war, abladen. Ich erklärte dem Waldhüter, dass der Brigadier ja mit ihm gesprochen habe, dass wir diesen Baum fällen dürfen. Der Waldhüter war  nicht eingeweiht  und wusste gar nichts, es war vom Forstamt nicht weiter gegeben worden. Der Waldhüter wollte jetzt gleich, dass wir zu seinem Vorgesetzten, dem Brigadier, fahren. Dessen Name war Morariu, mir persönlich bekannt. Wir sind so gegen 20 Uhr im Haus von Herrn Morariu in Wolkendorf angekommen. Der Waldhüter sagte dem Brigadier, dass wir eine große und mehrere kleine Tannen gefällt haben. Es wurde entschieden, zurück  zum Wagen zu fahren, damit der Brigadier auch sehen kann, wie viele Tannen wir gefällt haben.

Bevor ich aber mit dem Waldhüter auf dessen Gespann nach Wolkendorf zum Brigadier Morariu gefahren bin, sagte ich zu Michael Zeides und Günther Kloos, wenn ich nicht mehr in Sichtweite wäre, sollten sie mit den Tannen nach Zeiden fahren, ich würde schon sehen wie ich damit fertig werde. Wir kamen mit dem Waldhüter und Brigadier Morariu zum Ort zurück, wo der Wagen angehalten  wurde, dieser war aber nicht mehr da. Der Ärger des Waldhüters und des Brigadiers war groß. Ich war der Meinung, wenn die Tannen nicht mehr zu sehen seinen, sind diese schon in Zeiden, und unser Ziel ist erreicht. Von  dem Platz an dem wir den Wagen abladen mussten, bin ich dann in später Nacht etwa 8 km von Concordia bis Zeiden zu Fuß gegangen.

Für uns, die wir im Wald waren, hätte es schlimme Konsequenzen haben können. Auf solche Delikte stand Gefängnisstrafe. Da es sich um einen Tannenbaum für die Kirche handelte und die Forstbeamten  ebenfalls Weihnachten feierten, wurde Verständnis gezeigt und von einer Anzeige abgesehen. Wie mein Vater Franz Schoppel,  Tierarzt August Groß und Stadtpfarrer Richard Bell es mit dem Forstamt dann doch gütig haben regeln können, habe ich nicht erfahren können, es blieb ein Geheimnis. Es wurde billigend in Kauf genommen, der Kirche den Tannenbaum zu ermöglichen. Auch dieser Fall zeigt, dass die Rumänen ein gläubiges Volk sind, da es sich um Kirche und Weihnachten handelte, und es für die Beteiligten dann keine Konsequenzen mehr gab. Es war eine Weihnacht mit einem sehr schönen Tannenbaum, aber mit gemischten Gefühlen für uns, was nun auf uns zukommen wird. Das Forstamt hat anscheinend Verständnis gezeigt und Weihnachten in der Kirche mit dem Tannenbaum ermöglicht. Wir haben dann diese Weihnacht so getauft: der Weihnachtsbaum mit Schrecken.