22.11.2017

Kantorei singt in Siebenbürgen – und ZeidnerInnen singen mit

Die siebenbürgische Kantorei ist eine traditionsreiche Einrichtung, die schon Mitte der 80er Jahre unter anderem vom Zeidner Pfarrer Georg Dieter Barthmes mitgegründet wurde. Es ist ein sogenannter Projektchor, also ein Chor, der sich einmal im Jahr ca eine Woche zum Üben trifft und alle zwei Jahre eine größere Reise mit Auftritten unternimmt. In den Jahren, in denen die Kantorei nicht reist, singt sie beim Heimattag in Dinkelsbühl. Mitglieder sind Siebenbürger Sachsen, die in der ganzen Bundesrepublik verstreut sind und Freude am siebenbürgischen Liedgut haben.

Und wie kann es anderes sein? Mitglied in diesem Chor sind auch Zeidner und angeheiratete Zeidner. In diesem Jahr reiste der Chor zwei Wochen nach Siebenbürgen und mit ihm Effi Kaufmes mit Ehegatte Pitz, Renate Schütz, geb. Preidt, mit Gatte Bernd und Annette Königes – auch mit Gatte, allerdings nicht mitsingend. Die Chorleiterin Andrea Kulin und der Organisateur der Reise, Georg Hutter, hatten ein abwechslungsreiches und interessantes Programm zusammengestellt, das diese zwei Wochen zu einem unvergessenen Erlebnis werden ließen. Es fanden einige Auftritte statt -sowohl in großen Städten wie Bukarest, Hermannstadt, Kronstadt, Mediasch als auch in kleinen Orten wie Reussmarkt, Großpold, Katzendorf und Michelsberg. Auf dem Programm standen auch einige Besichtigungen und Führungen wie in der Hauptstadt, in der Ex-Hauptstadt Tirgoviste (hier entstand wohl bei den meisten ein Gefühl der Beklommenheit, als man das Zimmer besuchte, in dem das Ehepaar Ceausescu zum Tode verurteilt wurde und die Mauer, vor der sie hingerichtet wurden), das  Königschloss in Sinaia und eines der  ältesten Klöster – Cozia - um nur einige Höhepunkte zu erwähnen.

Natürlich bildete der Chor eine wichtige Stütze, als in der Bruckenthal-Sommerresidenz Freck zum Abschluss des Sachsentreffens Anfang August das Musikstück „Am Brännchen“ aufgeführt wurde. In den siebenbürgischen Medien ist darüber ausführlich berichtet worden – ja, es war eine organisatorische und musikalische Meisterleistung; eine stimmungsvolle Aufführung mit anschließendem Gesang für alle am Lagerfeuer im Garten der Sommerresidenz des Sachsen-Grafen.

Für die Zeidner gab es einen schönen Moment im Pfarrhaus in Katzendorf. Dieses hat der Kronstädter Journalist, Dramaturg und Gedichteschreiber Frieder Schuller gleich nach den Wende gepachtet – sein Vater war dort jahrelang Pfarrer. Er selbst reiste schon 1978 aus, unter anderem wegen politisch nicht korrekter Gedichte. Nobelpreisträger Günther Grasss persönlich half, dass er das Land verlassen durfte. Nun pendelt er zwischen Berlin und Katzendorf. Den Pfarrhof mit seinem großzügigen Gelände hat er als kulturellen Treffpunkt eingerichtet, und jedes Jahr wählt eine Jury einen Schriftsteller aus, der ein Jahr lang kostenlos im alten Pfarrhaus  wohnen darf und schreiben soll.

In der Scheune – die als Veranstaltungsraum hergerichtet ist – haben die Zeidnerinnen Effi Kaufmes und Annette Königes den Dichter mit einem sehr emotionalen Ständchen überrascht.  Schullers Onkel (der Bruder seines Vaters), Andreas Schuller, reiste Anfang des 20. Jahrhunderts in die USA aus und schrieb dort das Lied „Kut ihr Maued“, wo es um die Sehnsucht nach seiner alten Heimat ging. Er selbst starb Mitte der 30er Jahre, als er in einer Messerstecherei ums Leben kam.

Dieses Lied gehörte zu den Lieblingsstücken der Gründerin des Zeidner Gitarrenkränzchens, Irene Königes, wurde aber jahrzehntelang nicht mehr gesungen. Selbst die Nachfolgerin, Tochter Grete, kann sich nicht erinnern, dass das Gitarrenkränzchen in ihrer Zeit das Stück gesungen hätte. Als dann Annette (Königes) in den alten von Hand geschriebenen Noten von Irene Königes dieses Lied fand, konnte sie sich dafür gleich begeistern, und es wurde in das Repertoire des dann in den 90er Jahren in Deutschland wieder auflebenden Gitarrenkränzchens unter Effi Kaufmes aufgenommen. Im alten Notenheft fehlte allerdings der Autor des Stückes, so dass Annette und Effi erst in Katzendorf von dieser glücklichen Fügung erfuhren. Als die beiden das Stück anstimmten sagte Schuller ganz bewegt: „Ich erlaube mir zu weinen“.

Und es gab noch einen zweiten bewegenden Moment auf dieser Reise – ebenfalls mit Zeidner Beteiligung. Nach dem Konzert in Mediasch vor voller Kirche bedankte sich Pfarrer Gerhard Servatius, übrigens ein Zeidner, ausdrücklich auch bei seiner Erzieherin, der „Effitante“, zu der er vor 40 Jahren so gerne in den Kindergarten gegangen war.

Hans Königes

Hörprobe