08.11.2015

Rumänischer Investor renoviert die Alte Mädchenschule in der Marktgasse

Bild von Christel Ottmar (etwa von 1970)
Bild von 2008
Bild von 2011
Bild von Januar 2014
Bild von Januar 2014
Bild von Januar 2014
Bild von Januar 2014
Bild 2015 © Codlea.online
Bild 2015 © Codlea.online

Neben der „alten neuen“ Schule in der Marktgasse  (dem späteren Forstlyzeum), der Schule auf der Promenade gegenüber dem Böttcherturm (ehemaliges Mädcheninternat), der 1938 erbauten neuen deutschen Schule und dem alten Kindergarten in der Hintergasse, hat die Evang Kirchengemeinde A.B. Zeiden, im Zuge des Restitution von Kircheneigentum, auch die ehemalige evang. Mädchenschule, auf dem sogenannten Pfarrhöfchen, auf der Westseite der Kirchenburg, 2006 vom rumänischen Staat zurück erhalten. All diese Gebäude, die sich bis 1948 im Eigentum der Kirche befanden, gehörten seit der Schulreform vom 03. August 1948 und der damit verbundenen Verstaatlichung der konfessionellen Schulen dem rumänischen Staat.

Nach der Rückgabe der Gebäude an die Kirchengemeinde wurde im evang. Presbyterium über die Verwendbarkeit, die evtl. Veräußerung, eine mögliche Vermietung, die Verpachtung oder gar über den Verkauf dieser Gebäude eingehend beraten. Eines stand damals schon fest, die Verwertbarkeit und die Bausubstanz der einzelnen Gebäude  musste unterschiedlich bewertet und gleichzeitig geprüft werden, ob die Kirchengemeinde überhaupt in der Lage ist, all diese Gebäude zu behalten. Die Frage war sehr schnell beantwortet. Gemessen an den eigenen, nicht vorhandenen personellen Kapazitäten – gemeint ist hier eine funktionierende Kirchenverwaltung, mit den entsprechenden Fachleuten im Bereich Immobilien – stand nicht das Behalten der Gebäude, sondern die Veräußerung der Gebäude – in welcher Form auch immer – im Vordergrund der damaligen Überlegungen.

Bemüht man die Chronik der Kirchengemeinde, so kann festgestellt werden, dass der Verlust der Gebäude vor 58 Jahren damals sicherlich eine Zäsur besonderer Tragweite bedeutete. Die Entscheidung die jetzt zu treffen war, war kirchengeschichtlich sicher keine einfache. Schließlich stand das Presbyterium vor einer Entscheidung existentieller Art, einer Entscheidung, die sich natürlich auch auf das Kirchenvermögen und die Wirtschaftlichkeit der Kirchengemeinde positiv auswirken sollte.

Mit Weitsicht und durchaus mit dem nötigen Fingerspitzengefühl gelang es der Kirchengemeinde unter dem damaligen Kurator Arnold Aescht und der Kommunalgemeinde für jedes Gebäude gemeinsame und durchaus tragfähige Lösungen zu finden. Diese Übereinkünfte und Vereinbarungen, bei deren Zustandekommen auch Rechtsbeauftragte des Bezirkskonsistoriums mithalfen, haben bis heute Gültigkeit. Während für vier Gebäude die Verwertbarkeit schnell gefunden wurde, konnte für die Mädchenschule in der Marktgasse keine Verwendung ausgemacht werden. Dies verwunderte nicht sonderlich, da dieses Gebäude, das bereits 1853 erbaut wurde, sich baulich in einem sehr schlechten Zustand befand. Nicht umsonst wurde damals schon von der „Ruine“ in der Marktgasse gesprochen.

Über all diese Dinge, die bevorstanden, informierte der damalige Kurator Arnold Aescht den Vorstand der Zeidner Nachbarschaft in einer Sondersitzung am 13. Dezember 2006 in München. Lange Zeit passierte dann gar nichts. Lediglich ein Verkehrsgutachten wurde eingeholt. Zudem lagen die Prioritäten der Kirchengemeinde (Pfarrerwechsel, Entlassung und Wiedereinsetzung des Presbyteriums, Investitur von Pfarrer Andreas Hartig) anderweitig. Dazu muss man wissen, dass die „Landeskirchliche Kommission zur Rückgabe von Kircheneigentum“ sich beim Verkauf oder der Veräußerung von kirchlichen (restituierten) Gebäuden, ein Mitsprachrecht hatte einräumen lassen. Die Gerüchteküche über den Verkauf des Gebäudes brodelte fortan sowohl in Zeiden als auch in unserer Zeidner Nachbarschaft. Doch ernsthafte Kaufinteressenten oder Vorverträge gab es nicht. Dies sicher aus gutem Grund. Das Gebäude stand unter Denkmalschutz und jeder potentielle Käufer wusste, was das bei einem Erwerb bedeuten würde. Auflagen und damit verbundene Mehrkosten. Mit dem EU-Beitritt im Jahr 2007 stiegen zudem die Kosten im Sektor Bauwesen immens an.

Im Herbst 2011 war es dann soweit. Der Zeidner Unternehmer Catalin Muntean – das Amt des Bürgermeisters trat er 2012 in Zeiden an – hatte plötzlich Interesse am Erwerb des alten Schulgebäudes gezeigt und dies der Kirchengemeinde vor seiner Wahl signalisiert. Bald danach wurde der Kaufvertrag am 20.12.2011 abgeschlossen. Das Gebäude wechselte der Eigentümer. Catalin Muntean erwarb das „ruinöse Anwesen“ als Unternehmer über die eigene Firma S.C. BROILEROM“ S.R.L. Mit dem Verkauf wurden keine Auflagen verbunden.  Da die Kommission in Hermannstadt gegen diesen Verkauf anscheinend keine Einwände hatte und dem Verkauf zustimmte, konnte auch für das letzte Gebäude, das im Eigentum der Kirchengemeinde stand, endlich eine Lösung gefunden werden. Wäre der Verkauf zum damaligen Zeitpunkt nicht vollzogen worden, hätten dringend gewordene Sicherungsmaßnahmen (Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers) am Gebäude unnötige Kosten verursacht, die die evang. Kirchengemeinde in voller Höhe zu tragen gehabt hätte.

Mit der ersten Kaufpreisrate schien das Geschäft – ein Verkauf einer Immobilie ist immer ein Geschäft – einen seriösen Abschluss gefunden zu haben. Doch als die zweite Rate, die Schlussrate, nicht vertragsmäßig bei der Kirchengemeinde einging, gab dies zunehmend Grund für berechtigte Spekulationen. Denen wurde aus gutem Grund in diesem Jahr ein Ende gesetzt. Schließlich ging es dabei auch um den Ruf des Bürgermeisters, der sich nächstes Jahr erneut zur Wahl stellen möchte. Im Zuge eines Weiterverkaufs erwarb nun ein privater Investor das Gebäude zu einem Preis von 100.000 Euro in der Absicht, dieses Gebäude einer Generalsanierung zu unterziehen und es später als Geschäftshaus nützen zu können. Dabei ist die Unterbringung von unterschiedlichen Geschäftsläden in einer außergewöhnlich guten Verkehrslage – im Zentrum der Stadt – gut denkbar.

Zurzeit laufen die Renovierungsmaßnahmen am Gebäude auf Hochtouren. Vorschläge, auch die Gehwege (Fußgängerzone) um das Gebäude herum in ein umfangreicheres Sanierungskonzept der Stadt einzubinden, liegen bereits auf dem Tisch. Mit der Renovierung  wurde die in Zeiden ansässige Firma SC O&M EDIL SRL beauftragt. Man darf gespannt sein, wie bei dieser durchaus anspruchsvollen Baumaßnahme die Auflagen des rumänischen Denkmalamtes von privater Hand umgesetzt werden, und ob sich das Gebäude in seinem Äußern (Fassade) an die kürzlich renovierten Gebäude im Stadtzentrum (Rathaus, Gemeindesaal und ehemaliges Stuhlrichtergebäude) anpasst. Denn eines steht fest, das ehemalige Schulgebäude bleibt trotz Eigentümerwechsel, trotz Renovierung und anderweitiger Nutzung, ein historisches Gebäude und ist Teil des historischen Stadtzentrums Zeidens.

Mit dem Verkauf dieses geschichtsträchtigen  Schulgebäudes, in dem viele Generationen vor uns Lesen und Schreiben gelernt haben und stets für schulische Zwecke diente, hat die Kirchengemeinde – unabhängig von der Höhe des Verkaufspreises - sicher ein richtiges Zeichen gesetzt. Es bleibt zu hoffen, dass dies überall und von allen die sich um das zukünftige Aussehen der Stadt Zeiden sorgen, angesichts der Umstände in denen gehandelt werden musste,  richtig verstanden wird.

Helmuth Mieskes, Böbingen