04/27/23

„Sachsenschloss“ in Zeidner Händen

70. Jubiläum der Zeidner Nachbarschaft vom 21. bis 23. April gefeiert

Für ein Wochenende – Ende April – war Schloss Horneck in Gundelsheim, von einigen unserer Landsleute auch gerne als „unser Sachsenschloss“ bezeichnet, der Treffpunkt und Feierort der Zeidner Nachbarschaft in Deutschland. Es war der 70. Geburtstag – im September 1953 wurde sie beim ersten Heimattreffen in Stuttgart gegründet - und nun galt es dieses Ereignis gebührend zu feiern.

Und in der Tat, das lässt sich schon vorab und als erstes Fazit sagen: Es gibt keinen besseren und schöneren Ort für eine würdige Feier mit siebenbürgisch-sächsischem Bezug als dieses Schloss. Zum einen existieren nach der Renovierung beste Möglichkeiten, um zu tagen und zu übernachten - jedes Zimmer ist individuell gestaltet, landschaftlich traumhaft gelegen. Und natürlich das Wichtigste – die geistigen Schätze – das Siebenbürgische Museum und die Siebenbürgische Bibliothek mit tausenden von Exponaten und Dokumenten, die zumindest im Schnelldurchlauf einen Überblick über unsere Geschichte, Kultur und unser Wirken liefern.

Und das zweite Fazit gleich dazu: Das Programm der Jubiläumsveranstaltung bildete eine perfekte Mischung aus würdiger Feier, Unterhaltung und auch ein wenig Wissensvermittlung. Heißt konkret: Gleich Freitagabend ging es mit der Eröffnung einer Ausstellung des Zeidner Malers Eduard Morres los. Die Zeidner sehen ihn als „ihren“ Maler an, auch wenn er in Kronstadt geboren wurde - lebte er doch rund vier Jahrzehnte (von 1942 bis zu seinem Tod 1980)  in der Marktgasse am Fuße des Bergelchens.

Wie kam es zu dieser Ausstellung? Das Museum beherbergt über 100 Bilder und Zeichnungen des Malers, die größtenteils im Keller gelagert sind und die nun zum ersten Mal ausgestellt wurden. Selbst Udo Buhn, der das Werkverzeichnis des Malers betreut und ein guter Kenner seiner Bilder ist, freute sich, Neues zu entdecken. Diese Bilder gaben die Besitzer im Museum ab. Immer mehr Erben – die keinen Bezug zum Ort und der Heimat der Eltern/Verwandten haben, trennen sich von den Bildern. Diejenigen, die sie nicht verkaufen oder behalten, übergeben sie dann der Morres-Stiftung – diese Bilder sind in Zeiden zu besichtigen - , und die anderen dem Siebenbürgischen Museum. Letztere sind nun zumindest ein paar Monate in Gundelsheim ausgestellt.

In ihren kurzen Reden zur Eröffnung der Ausstellung würdigten Nachbarvater Rainer Lehni, die Vorsitzende des Trägervereins „Siebenbürgisches Museum e.V.“ Dr. Irmgard Sedler und der wissenschaftliche Leiter des Museums, Dr. Markus Lörz, die überdurchschnittliche Begabung des Malers, der zwar im Ausland studierte und zeitweise lebte und sicherlich auch das Talent zu einer internationalen Karriere hatte, dem aber die „harmonische Landschaft seiner Heimat“, wie es Sedler formulierte,  zeitlebens Quell der Inspiration war und blieb und den es immer wieder nach Hause zog. Und Lörz bezeichnete ihn als einen „ehrlichen Maler“, der sich nicht habe verbiegen lassen. Danach erfreuten sich die Zeidner und Zeidnerinnen in den Ausstellungsräumen an der Vielfalt der Motive und Themen sowie der unterschiedlichen Stile, die sie bei Morres`Bildern bewundern konnten.

Im Anschluss tauschten sich die Besucher noch intensiv über das Gesehene bei einem  Stehempfang aus und setzten ihre Gespräche beim Abendessen fort. Einzig die Zeidner Blaskapelle musste „arbeiten“ und fleißig proben, bereitete sie doch ihre beiden Auftritte für den darauffolgenden Festtag vor.

Der Samstagvormittag begann mit Führungen. Den Anfang machte Dr. Ingrid Schiel, die Geschäftsführerin des Siebenbürgen-Instituts, zu dem die Siebenbürgische Bibliothek gehört, die mittlerweile 92.000 Einheiten umfasst. Sie zeigte den interessierten Besuchern einige archivalische „Kostbarkeiten“, zum Beispiel Landkarten aus dem 16. Jahrhundert, ein Matrikelheft von 1718. Ein ganz besonders Fundstück ist ein Nachbarschaftsbuch aus Neustadt aus dem Jahre 1785.

In schönster Schrift und in bestem Zustand kann man sich über die Regeln der Nachbarschaft informieren, die über Jahrhunderte ihre Gültigkeit hatten. Interessant war auch ein Verzeichnis der Zeidner Höfe aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, in dem neugierig geblättert wurde. Zusätzlich sammelt die Bibliothek Zeitungsartikel über die jeweiligen siebenbürgischen Ortschaften. Ingrid Schiel zeigte uns den Zeidner Ordner und ermunterte uns mitzuhelfen, diesen Ordner stetig aufzufüllen, wenn wir Zeitungsartikel über unseren Heimatort finden. Die Artikel aus der „Allgemeinen Deutschen Zeitung“ aus Rumänien und der „Siebenbürgischen Zeitung“ werten sie selber aus.

Die nächste Führung ging dann zum Museum, das mittlerweile doch schon eine Menge Landsleute kennen und das gut dokumentiert anhand von zahlreichen Texten, Bildern und Ausstellungsobjekten die bewegte Geschichte dieses kleinen Völkchens im Karpatenbogen zeigt. In zwei Gruppen führten Dr. Markus Lörz und Dr. Volker Wollmann mit ihrem enormen Fachwissen durch die Räumlichkeiten des Museums.

Die dritte und letzte Führung übernahm dann Professor Dr. Konrad Gündisch, der sehr kenntnisreich und ausführlich über die wechselvolle Geschichte des Schlosses berichtete.

Der zweite Teil des Tages gehörte den Feierlichkeiten zum 70jährigen Jubiläum der Nachbarschaft in Deutschland, die im Festsaal „Johannes Honterus“ des Schlosses stattfanden und die durch die Klänge der Zeidner Blaskapelle eröffnet wurden. In seiner Eingangsansprache skizzierte Nachbarvater Rainer Lehni einige wichtige Stationen der Nachbarschaft von der Gründung durch Balduin Herter, der auch bei der Gründung der Kultureinrichtungen auf Schloss Horneck eine wichtige Rolle spielte, bis hin zu den zahlreichen Aktivitäten und Publikationen der letzten Jahre. Altnachbarvater Udo Buhn konnte danach diesen Vortrag durch eine ausführliche und gut dokumentierte Bildergalerie ergänzen. In seinem Vortrag ging er vor allem auf einige Höhepunkte der verschiedenen Treffen ein und erinnerte daran, dass wir in zwei Jahren unser 25. Großes Zeidner Treffen in Deutschland feiern.

Zu so einem Jubiläum gehört auch, einige ehrenamtliche Mitglieder für ihr Engagement für die Nachbarschaft und für die siebenbürgische Gemeinschaft zu ehren. Altnachbarvater Volkmar Kraus überreichte Urkunden an Nachbarvater Rainer Lehni sowie an die langjährigen Ehrenamtlichen Carmen Kraus und Annette Königes, die vor allem auf dem kulturell-literarisch-künstlerischen Gebiet sehr aktiv sind.

Natürlich fehlten nicht die Grußworte – diesmal zum einen von den Vertretern der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. aus Zeiden, vom neuen Pfarrer Danielis Mare und dem Kurator Christian Eduard Popa. Sie betonten vor allem die guten Beziehungen zur Nachbarschaft in Deutschland, die sich seit einigen Monaten nochmals verbessert haben nach dem Generationswechsel im Presbyterium. Von Verbandsseite lobten Ilse Welther, Vorsitzende des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften, und Manfred Binder, Leiter der Regionalgruppe Burzenland die zahlreichen Initiativen der Zeidner in den verschiedenen siebenbürgischen Gremien, aber auch Projekte wie dem Burzenländer Kalender oder die Gründung einer eigenen Stiftung.

Wie der Zufall es wollte, feiert auch die Stiftung Zeiden ein Jubiläum und wird 25 Jahre alt. Deren Vorsitzender Reinhold Mieskes ließ die 25 Jahre, auch anhand zahlreicher Bilder, Revue passieren und präsentierte ihre Imagebroschüre, die pünktlich zu dieser Veranstaltung erschienen ist. In Arbeit ist nun auch ein eigener Internet-Auftritt,  um so auch auf diesem Wege offensiver Spenden einwerben zu können. Denn, das zeigte Mieskes` Vortrag: Die Stiftung unterstützte und unterstützt auch weiterhin ausgewählte Projekte der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. in Zeiden. Als besten Beweis eines aktuellen Vorhabens überreichte er Pfarrer Mare einen Scheck über 300 Euro für den Erwerb von didaktischem Lehrmaterial in der Schule.

Den Festvortrag hielt kein Geringerer als Prof. Dr. Konrad Gündisch, den man zurecht als DEN Kenner der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte betrachten kann, und die Zeidner sind ihm sehr dankbar, dass er sich immer mal wieder auch Zeidner Themen widmet. Er spann einen roten Faden zur beeindruckenden Rede des Münchner Nachbarvaters Alfred Schneider anlässlich des ersten Nachbarschaftstreffens 1953 in Stuttgart bis heute, um zu zeigen, wie aktuell seine Überlegungen von damals auch heute sind, und wie gut es der Nachbarschaft gelang, diesen Prinzipien von damals gerecht zu werden. So ging es Schneider damals unter anderem darum, dass die Nachbarschaft stets bemüht sein soll, den Zusammenhalt zu stärken, was durch die vielen Treffen, Veröffentlichungen, den Zeidner Ortsgeschichtlichen Gesprächskreis, des Wörterbuchs der Zeidner Mundart etc., etc. laut dem Festredner vorbildlich umgesetzt wurde.

Obwohl sich damals angesichts der höchst schwierigen politischen Verhältnisse, vor allem in Rumänien, niemand vorstellen konnte, wie es weitergehen wird, plädierte Schneider für intensive Beziehungen zur Kirche und den Menschen daheim, was die Nachbarschaft im Lauf der Jahre vorbildlich umsetzte – sicherlich auch dank veränderter politischer Verhältnisse, aber auch sehr engagierter Menschen – sei es durch die Organisation der Begegnungen in Zeiden, sei es das Arbeitscamp, finanzielle Unterstützung, etwa bei der Kirchenrenovierung.

Was Gündisch schließlich positiv bilanziert, was ja auch Schneiders Wunsch war, ist, Nachbarschaft in seinem ursprünglichen Sinn, also Hilfe von der Wiege bis zur Bahre ernst zu nehmen. Er sagte: „Nachbarschaft ist mehr als nur eine Gasse.“

Auch hier gab es im Anschluss einen Stehempfang – diesmal mit einem – wie konnte es anders sein –  fantastischen Baumstriezel, zu dem eine kleine Anekdote zu erzählen ist. Unser „Lokalmatador“ Helmut Wenzel, der in der Nähe wohnt, hatte versprochen, dass er sich um besagten Baumstrietzel kümmert. Machte sich auch keine vielen Gedanken darüber, dass es nicht klappen könnte, weil es ja in der Heilbronner Gegend genug Sachsen gibt, die dieses Handwerk des Baumstriezel-Backens beherrschen. Wie der Zufall nun will, hatten grad an diesem Wochenende alle seine Baumstriezel-Backer keine Zeit, und er und seine Familie – mit Ines (sie moderiert am Heimattag den Trachtenzug) und ihrer Mutter machten sich frühmorgens an die Arbeit – und wie schon erwähnt – das Ergebnis war großartig gelungen.

Den krönenden Abschluss des Tages bildete die Blaskapelle mit einem einzigartigen Konzert am Samstagabend, in dem das Orchester mit seinem Dirigenten Reinhard Göbbel das Publikum in die Welt der Osterbräuche entführte. Mit viel Humor und sehr kenntnisreich erläuterte der Dirigent nämlich, von wo Ostern überhaupt stammt, den Ursprung der Bräuche und hatte dazu die entsprechenden Musikstücke ausgesucht. Als Zuschauer hörte man begeistert zu und musste sich sagen: Welch ein Segen für unsere Gemeinschaft, dass an der Spitze der Kapelle so ein begabter Musiker, Lehrer und Theologe vorne am Pult steht, der voll Leidenschaft dirigiert und sowohl Orchester als auch Publikum mitreißt.

Auch das  Geistliche kam nicht zu kurz. Pfarrer Danielis Mare lud am Sonntagvormittag zur Andacht ein, in der er auf die Bedeutung von Traditionen hinwies, aber auch darauf, sich dem Fortschritt nicht zu verschließen. Sonntagmittag fand dann noch das Abschlusskonzert der Blaskapelle auf der Terrasse des Schlosses – bei  herrlichem Sonnenschein - vor einer bezaubernden Kulisse statt. Die Kapelle spielte, die Zeidner tanzten – einen schöneren Abschluss hätte man sich nicht wünschen können. Ein letzter Satz noch: Es war wieder eines dieser unvergesslichen Treffen, die Herz und Verstand angesprochen haben – und so soll es auch sein. Herzliches Dankeschön dem Nachbarvater und seinen engagierten Kollegen aus dem Vorstand, allen Helfern, auch den eher Unsichtbaren, die zum Gelingen dieser Veranstaltung beigetragen haben.

Hans Königes

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