10/05/21
Zwei Tage im Danken und Staunen
Die unglaubliche Leistung des Umbaus von Schloss Horneck
Es war einmal … So fangen Märchen an. Auch der Anfang der Siebenbürger Sachsen findet sich in einem Märchen wieder, beim Rattenfänger von Hameln. Und am letzten Septemberwochenende 2021 erleben wir eine Art Abschluss der Geschichte der Siebenbürger Sachsen, die sich zunehmend in museale und bibliophile Bereiche zurückzieht … wieder mit einem Märchen.
Denn es ist geradezu unwirklich, was hier in den letzten drei Jahren geleistet wurde, um aus dem altehrwürdigen, aber leider sehr heruntergekommenen Schloss ein sehenswertes Tagungshotel zu gestalten. Organisch verwachsen ist es mit dem Siebenbürgen-Institut, dem Siebenbürgischen Kulturrat, der ebensolchen Bibliothek und dem Museum; deren Türen blieben weitgehend auch während der Umbauphase geöffnet.
Aus den Spender-HOGs, die vom Trägerverein von Schloss Horneck eingeladen wurden, kamen mehr als zwanzig Gäste, um zu sehen, wie ihre Spenden für das neue Kultur- und Begegnungszentrum zu Renovierung und Ausstattung beigetragen haben. Weil Nachbarvater Rainer Lehni in der alten Heimat gut zu tun hatte, war Kuno Kraus als Stellvertretender Nachbarvater der Zeidner Nachbarschaft angereist.
Begleitet hat ihn seine Frau Carmen, die das Schloss zum ersten Mal sah, obwohl sie schon vor nahezu dreißig Jahren erstmals für „das Schloss“ tätig war. Damals hatte Baldi Herter sie mit Satzarbeiten für die „Siebenbürgische Familienforschung“ beauftragt. Die Herausgabe der Zeitschrift wurde inzwischen eingestellt, aber die Unterstützung anderer Drucksachen, auch jener für das Siebenbürgische Kulturzentrum „Schloss Horneck“, hält bis heute an.
So geht es auch vielen anderen, die zufällig für das Schloss tätig wurden. Dr. Axel Froese etwa, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Schlossvereins (SKSH), der ebenfalls kein Siebenbürger ist. Versiert in wirtschaftlichen Angelegenheiten ebenso wie in Baurecht und Bauaufsicht und mit einem guten Gespür für die Verbindung von Tradition und Moderne, wurde er neben Marketingexpertin Heidrun Negura zu einem der besonders Engagierten beim Umbau. Und kaum ist dessen Ende in Sicht, sorgt Dr. Froese sich schon um die Zukunft: Wie können wir das Schloss für die nächsten 50 Jahre entwickeln?
Ein straffes Programm hatte man für das Wochenende aufgestellt: Die Kennenlernrunde fand in der „Veranda“ statt, ein dem Weinland Siebenbürgen gewidmeter Wintergarten auf der Nordseite des Schlosses. Von den Wänden grüßen Bilder von der sanft geschwungenen Landschaft, von Traubenlese und Weinherstellung in der alten Heimat, gegenüber liegt draußen der Weinberg „Himmelreich“, der sich in der Herbstsonne zunehmend golden färbte.
Honorar-Professor Dr. Konrad Gündisch begrüßte die Gäste, ließ jeden sich selbst vorstellen, um dann aber verschmitzt einzugreifen, wenn jemand allzu bescheiden nur einen Bruchteil seiner Engagements mitteilte. Hier fing das Staunen an: Herta Daniel, langjährige Vorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen und Stellvertretende Vorsitzende des SKSH e.V., war hier, ebenso die stellvertretenden Vorsitzenden des Verbandes der Siebenbürger Sachsen Doris Hutter, Ingwelde Juchum und Michael Konnerth, der auch Kassenwart des Schlossvereins ist. Ebenso Winfried Göllner, der Jugendreferent aus NRW, mit seiner Frau Margrit. Als Helferin und Teilnehmerin war Sigrid Wannagat da, Tochter des Kronstädters Werner Bonfert, der mit einer 10.000-Euro-Privatspende dankenswerterweise das Zimmer „Zeiden“ erst ermöglicht hat. Zur Erinnerung: Die Zeidner Nachbarschaft hatte sich an der gemeinsamen Spende der Regionalgruppe für das Zimmer „Burzenland“ beteiligt. Auch Manfred Binder, Vorsitzender dieser HOG-Regionalgruppe, war gekommen.
Schon eine Stunde später begann der Historiker Gündisch die geschichtliche Führung im Schlosshof, wo Replikate aus der Zeit der Deutschmeister von den Wänden grüßen und die älteste Inschrift das Jahr 1306 angibt. Von Bauernkrieg ist die Rede, dem vollständigen Niederbrennen der alten Burg und dem Rückzug der Deutschmeister nach Mergentheim. Die gewaltigen Mauern, der Schlossgraben, die alte Komturei, die hinter den riesigen Blauglockenbäumen liegt und heute als Veranstaltungshalle der Stadt dient, alles atmet hier Geschichte. Bierbrauerei und Sanatorium für übergewichtige Prominente waren weitere Stationen des Schlossgemäuers. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Siebenbürger Sachsen und gründeten 1960 den Hilfsverein „Johannes Honterus“, der ein Heimathaus mit Altenheim, Museum und Bibliothek einrichtete. Ein Abriss der siebenbürgischen Geschichte findet sich im Besucherzentrum, vor dem Eingang in den Jugendstilsaal. Der integrierte Touchscreen hält eine Fülle von Infos für die Besucher bereit.
Parallel führte Axel Froese durch die Innenräume und erläuterte die teils sehr umfangreichen Umbaumaßnahmen. Ein ums andere Mal betonte er dankbar die vielen glücklichen Fügungen, die nicht nur zu unglaublicher finanzieller Unterstützung seit dem Erwerb des alten Schlosses, sondern auch zu weiteren Spenden während der denkmalschutzgerechten Renovierung führten. Tief dankbar ist er auch jenen Engagierten, die in beherzter handwerklicher Eigenleistung viele Ausgaben eingespart haben.
Geradezu märchenhaft mutet an, dass Außenstehende, die einfach nur ihren Auftrag erfüllen hätten können, Feuer gefangen und sich mit Herzblut eingebracht haben, oft ohne die Stunden genau zu zählen: der Architekt Peter Schell, der Schablonen für jede einzelne der unterschiedlich hohen Stufen angefertigt hat; die Szekler-Firma Mobi Romantik SRL Elek Sutö aus Schäßburg, die aus wertvollem siebenbürgischem Holz ein trittfestes Treppenhaus – namens „Karpatensteig“ – mit einheitlichen Stufen baute; der Biberacher Malermeister und Restaurator Camil Delic, der den Grabsteinabgüssen einen angenehm sandfarbenen Anstrich gab und auch gleich fehlende Teile ergänzen konnte; die an Wunder grenzende Erneuerung einer morschen Holzdecke, ohne die große darunter hängende Stuckdecke zu beschädigen; die Erhaltung vieler historischen Details trotz Einbau von Nasszellen und Brandschutztüren; der Hotelbetreiber Pietralla (Anverwandter eines Bogeschdorfer Pfarrers), der sich im Vorfeld mit einer sechsstelligen Summe einbrachte; der aus Gergeschdorf stammende Haus-meister Georg Mick, der auch die rumänischen Mitarbeiter deutscher Handwerksfirmen motivieren konnte … Die Gäste staunten weiter.
Nach dem Mittagessen stellte Heidi Negura den Tagungsraum „Rosenau“ vor mit der Präsentationswand über die Raketenpioniere Siebenbürgens. Der feuerfeste Tisch und die drehbare geschmiedete Garderobe sind von Georg Binnen gefertigte Unikate. Draußen sammelt der Flur Fotodokumente der Siebenbürger Industrie-Höhepunkte vor 100 Jahren. Die Musiksalons neben dem Festsaal sind dem Komponisten der „Siebenbürgischen Elegie“ Ernst Irtel und dem Wunderkind Carl Filtsch (Meisterschüler von Frédéric Chopin), Pianist und Komponist, gewidmet. Eine glückliche Fügung ist die Schenkung eines Cembalos, das von einem aus Siebenbürgen stammenden Cembalobauer angefertigt wurde: Im alten Festsaal entfaltet sich sein Klang noch wunderbarer als der des großen Flügels.
Im Rückblick warf Axel Froese anschließend in einer Präsentation Zahlen, Daten und Fakten an die Wand. In der Pause wurde es dann musikalisch: Wie viele andere Künstler vor ihm trat auch Liedermacher Hans Seiwerth gagenfrei auf. Er gab Minnelieder zum Besten, gefolgt von siebenbürgischen Weisen, und krönte seine Darbietung an Gitarre und Mundharmonika mit einem global angelegten „Hänschen klein“. Fantastisch variierte er dabei Betonung und Wortwahl jeweils so, dass die Strophen unter anderem russisch oder chinesisch anmuteten, was ihm begeisterten Applaus einbrachte.
„Zukunft des Kulturzentrums gemeinsam gestalten“ war der nachfolgende Gedankenaustausch überschrieben, zu dem auch Dr. Stefan Mazgareanu, unter anderem Redakteur der „Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde“ seine Überlegungen beitrug. Verschiedene Ansätze wurden diskutiert, zu weiteren Überlegungen wird aufgerufen. Ideen für Veranstaltungen und Aktivitäten im Schloss sind herzlich willkommen. Und was bereits in schwierigen (Corona-)Zeiten trug, soll ausgebaut werden: Bereits für 50 Euro Jahresbeitrag kann jeder Gönner Mitglied im Trägerverein des Kulturzentrums werden und dessen Vorhaben ideell und finanziell stärken.
Am Abend rief der Herold Andreas Pietralla das „Rittermahl“ aus und holte die Gäste ab zum Jugendstilsaal, der, stark abgedunkelt und von Kerzen beleuchtet, mit einer großen samtbedeckten Tafel aufwartete. Zwischen gereimten Ansagen zur Belustigung des Volkes wurden unter Handgeklapper Brottrunk in der Roggensemmel gereicht, ein Schweinebraten in ritterlicher Manier zerteilt und immer wieder kleine Späße mit den Gästen getrieben.
Doch auch die Gespräche kamen nicht zu kurz, und so wuchs zusammen, was sich für dasselbe starkmachte. Man sagt, die letzten gingen weit nach der Geisterstunde zu Bett. Die zwei Hundertschaften Mausohrfledermäuse unterm Schlossdach können es bezeugen.
Es muss wohl so gewesen sein, denn zum Frühstück kamen die meisten recht spät. Einige reisten früh ab, denn sie hatten einen weiten Heimweg oder nutzten die Nähe zu Besuchen in der Umgebung. So fanden sich nur wenige zur letzten Führung ein. Vorstandsmitglied Alfred Deptner ging bei strahlendem Sonnenschein mit ihnen schlossauswärts, um von dort Stück für Stück die geschichtliche Entwicklung aufzurollen.
Carmen und Kuno warfen einen letzten Blick in das schöne Zimmer „Zeiden“, ein Bergsteigerzimmer, dessen Boden altbaubedingt von der Tür zum Fenster ansteigt. Jenseits des Fensters verstärkt das terrassierte „Himmelreich“ mit dem Pavillon noch dieses Gefühl von Aufstieg. Die rote Sitzgruppe, die roten Kuschelkissen mit dem Logo des Schlossvereins und dem blau eingestickten Schriftzug „Schloss Horneck“, die minutiöse Ausstattung des hellen Bades mit allem Nötigen und einem Tic mehr – alles trägt die Handschrift derer, die sich auch in vielen Details liebevoll eingebracht haben. Dafür herzlichen Dank!
Unsere Spenden sind bestmöglich angelegt. Und wir werden gern weiterhin dazu beitragen, dass unsere neue siebenbürgische „Heimatstube“ noch lange Bestand hat. Vielleicht mit einer ganzen Besuchswoche mit viel Zeit auch für das Museum und die größte siebenbürgische Bibliothek außerhalb Rumäniens. Und vielleicht auch für Aktivitäten, die der Schloss-Tradition folgen, etwa das Fasten wie im Sanatorium. Oder doch lieber ein Besuch im Bierkeller? Ein Radlausflug zur Burg Guttenberg? Ein „chef“ in der Komturei? Jetzt, da das Schloss wieder Zukunft hat, wollen wir sie gern mit Leben füllen!
Carmen B. Kraus