Zeiden – 60 Jahre Nachbarschaft – ein Jubiläumsfest.

Über Zeiden im Burzenland, Zeiden in Siebenbürgen, Zeiden in Europa und in der Welt heute zu sprechen, das eröffnet viele Gedanken, viele Assoziationen und macht den Versuch nicht leicht, Wesentliches zusammenzutragen.

Alle sind sich sicher einig, dass in diesem zweiten Dezenium des neuen Jahrhunderts, in dem wir uns jetzt, 2013, befinden, sich viele Fragen auftun, die nicht nur Jubel, auslösen. Und da jede vertiefte Betrachtung eines Ereignisses, so auch die 60. Wiederkehr der Gründung der Zeidner Nachbarschaft – immer verbunden ist mit Blicken auf das Vergangene und zugleich mit Perspektiven auf die zukünftigen Jahre.

Auch meine Worte hier sollen ein Versuch sein, Rückblende zu halten und Zukünftiges anzusprechen und das nicht mit Daten oder Fakten zur der vielfältigen und so intensiv erforschten Geschichte unserer Heimat Siebenbürgen. Eher bietet es sich an, Fragen zu stellen im Bezug zur Vergangenheit oder auch Fragen im Zusammenhang mit dem, was auf uns und unsere Nachkommen zukommt.

Vor zwei Jahren feierten wir in Kronstadt – und nicht nur dort – 800 Jahre Deutscher Ritterorden im Burzenland, viele von Ihnen waren dabei. Einiges von dem von mir dort gesagten möchte ich nun, abgewandelt und durch Neues ergänzt, hier vorbringen,

800 Jahre Deutscher Orden im Burzenland: Kaum ein anderes Thema stand damals so häufig in den siebenbürgisch-sächsischen Medien. Der wohl beste Kenner dieser Thematik, der Mediävist Prof. Dr. Harald Zimmermann stellte sich damals die Frage: „War das Jahr 2011 ein Jubeljahr? Worüber soll man jubeln und was sind 14 Jahre Deutscher Ritterorden im Burzenland gegen 850 Jahre Siebenbürger Sachsen? Warum also feiern wir diese Ordensritter jetzt, wenn ihre Spuren kaum noch sichtbar sind und sie längst vergangenen Zeiten angehören?“ Auch der letzte Tagungsband des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde trägt den Titel: „Generalprobe Burzenland“ - er enthält neue Forschungen zur Geschichte des Deutschen Ordens im Burzenland und geht auf viele Fragen zum Thema ein, kann aber nicht alle dunklen Flecken in der Betrachtung unserer frühen Geschichte erhellen.

Und dennoch. Wir können in der Geschichte immer wieder Zeiten von ganz kurzer Dauer finden, die für die Nachwelt von größter Bedeutung sind. Ein negatives Beispiel dazu: Die nur 12 (!) Jahre nationalsozialistischer Herrschaft in Deutschland von 1933 bis 1945 haben weltweit unendlich viel Kummer, Leid, Tod und Zerstörung hinterlassen. Ihre furchtbaren Spuren werden noch lange erkennbar bleiben.

Rufen wir das Jahr 1211 in Erinnerung, als der ungarische König Andreas II. und seine bayrische Ehegattin Prinzessin Gertrud von Andechs ihr nur vierjähriges Töchterlein Elisabeth (die spätere Heilige Elisabeth) schon im Kindesalter nach Thüringen schickten, wo sie später einmal den Sohn des dortigen Landgrafen heiraten sollte. So war das damals beim Hochadel. Allein dieses Ereignis ist von großer symbolischer Bedeutung, ging es hier doch um die Anbindung der Menschen Ostmitteleuropas also auch Ungarns an das Abendland – jetzt durch die Verlobung eines Arpadenkindes mit einem Mann aus höchstem Adelshaus. Auch in der weiteren Geschichte des Donau-Karpatenraumes bestand und besteht das konstante Bestreben, die Bindung an das Abendland zu bewahren und auszubauen. Hunderte Beispiele lassen sich finden, die den Impetus nach dem Westen untermauern. Denken wir auch an die Siebenbürger Sachsen, deren Eigenständigkeit und Identität sich mehr als 800 Jahre lang auch durch ihre geistigen und wirtschaftlichen Bindungen an das Abendland erhalten haben.

Was hat das alles mit dem Deutschen Orden im Burzenland zu tun, dessen erste Erwähnung vor genau 800 Jahren wir damals, 2011, feierten. Was wissen wir aus der nur 14 Jahre dauernden Präsenz dieses Ordens im südöstlichsten Eck Ungarns? Sind wir heute weiser und klüger als unsere historisch aktiven Vorfahren der letzten zwei Jahrhunderte, die in ihrer Erinnerungskultur die Ritter oft etwas mystisch verbrämt dargestellt haben? Was ist geblieben, was ist historisch belegbar, was sind Mutmaßungen? Ist das Meiste nur Legende und nationaler Geschichtsmythos?

Ich möchte hier nicht auf die Ritter, die päpstliche Autorität und die Kreuzfahrer eingehen und auch nicht auf die Bemühungen des Deutschen Ordens, deren späterer Hauptauftrag es war, in Ostpreußen ihre dominierende Position zu sichern. - oft getarnt auch als Kampf

gegen die Heiden. Ob die Ritter dort im fernen Ostpreußen die Beschützer einer Erobererkolonie waren oder Bollwerk des lateinischen Christentums?

Was weiß man über diesen ordo teutonicus , auch Deutschherrnorden genannt, dessen ursprünglicher Namen viel harmloser klingt und zwar„ Orden der Brüder vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem“. Was wissen wir über das Leben der vielleicht zwölf oder mehr Reiter in weißen Mänteln mit dem großen schwarzen Kreuz am Rücken, mit Schwert und Lanze bewaffnet? Kamen sie allein oder hatten sie einen Tross Begleiter dabei, waren sie Mitglieder der oberen Klassen oder Ministerialien, eine Art privilegierte Mittelschicht? Sicher waren sie Mönche, die nach strengen Ordensregeln, in Askese und mit abgelegtem Coelibatsgelübde ihr Dasein gestalteten. Konnten sie lesen und schreiben? Wieso kam die ursprünglich karitative Ausrichtung des Kreuzfahrerordens, etwa mit der Errichtung von Hospitälern im Burzenland nicht zum Tragen? Bekanntlich hatte der Ordensmeister, Hermann von Salza – er wurde 1209 in dieses höchste Amt seiner Kreuzritter erhoben - in Thüringen auf dem Fundament eines Hospitals die älteste Kommende und spätere Ballei – ein Verwaltungszentrum der Ritter - Thüringens errichtet. Danach entstanden Hunderte von Hospitälern und Niederlassungen der Ordensritter von Zypern und Sizilien bis Mitteleuropa. Was haben sie im Burzenland hinterlassen? Die mutmaßlichen 5 oder 7 Burgen, von der Marienburg, deren heutige Ruine auf der Flussterrasse des Altes später entstanden ist, bis zur Kreuzburg am Bodsauer Pass und der Schwarzburg am Zeidner Berg? Wie haben sie gewohnt, gelebt, und gegessen ? Wieso sind keine Hospitäler aus ihrer Zeit bekannt? War es tatsächlich nur die Konkurrenz und die Furcht des Königs vor dem Sesshaftwerden der sicher bestens organisierten und militärisch geschulten Ritter? Waren es nur die Heerscharen Andreas II. Oder auch die bereits einige Jahrzehnte vorher dort angesiedelten Deutschen, die den Orden gewaltsam vertrieben hat?

Bleiben wir bei Bekanntem: Sicher ist inzwischen, dass sie nicht die ersten deutschen Siedler in diesem als unwegsam (terra deserta et inhabitata) beschriebenen Gebiet waren.

Die Prämonstratenser Klosterbrüder und -schwestern waren es, die schon 1203 das Kloster Corona unweit der heutigen Schwarzen Kirche gegründet hatten. Andere haben sich vermutlich am Martinsberg niedergelassen und weitere das Dorf Bartholomä gebaut. Auch die Toponymie, die Namensgebung von Orten und Flüssen des Burzenlandes geht - mit Ausnahme von Marienburg - nicht auf die Ritter zurück und ist älter. Tartlau wird in den

königlichen Verleihungsurkunden erwähnt und zwar im Zusammenhang mit den Bach Tortillou – der Tartel, aus dem sich das Wort Tatrang, der Bach und das Dorf (Tatrang, ungarisch und sächsisch, rumänisch Târlungeni) ableitet. Wenn auf den Diplomen, mit denen den Rittern das Land verliehen wurde, relativ genau abgesteckte Teile des ungarischen Königreiches verzeichnet sind, wie eben Tortillou oder Barassu (für Burzen), (Namen, die z.T. aus dem Kumanischen, Petschenegischen oder Slawischen stammen) dann sollte vermerkt werden, dass weder die Prämonstratenser, noch die Ritter und die wahrscheinlich sie begleitenden Hospites auf vollkommen unbewohntes Territorium trafen . Dass die hospites, die Ackerbauern, vielleicht sogar aus Mitteldeutschland, aus Thüringen, Hessen und Sachsen, nicht die ersten waren, die dieses Land besiedelten, ist heute mit Sicherheit anzunehmen. Allerdings waren die Siedler, die mit den Rittern kamen, Deutsche, sie sprachen einen deutschen, vielleicht auch einen wallonischen Dialekt und sie waren die ersten Ackerbauern des Burzenlandes.

Nur 16 Jahre später kam der große Mongolensturm und vernichtete sehr viel. Erst am Ende dieser Feuerwalze konnten die Gemeinden des Burzenlandes, allen voran Petersberg, Honigberg, Marienburg und Tartlau unter Obhut der Zisterzienser und später der Dominikaner wieder aufgebaut werden.

Für die von den Rittern 14 Jahre lang betreuten Hospites und ihre Nachkommen war dieses erste Viertel des 13. Jahrhunderts, also die Zeit um 1225, bis hin ins 19. Jahrhundert entscheidend. Die in der Verleihungsurkunde an den Deutschen Orden und später im Freibrief von 1224, im Andreanum, festgehaltenen Privilegien wurden zu den Grundrechten für das Leben der Siebenbürger Sachsen. Rechte wie freie Gerichtsbarkeit, eigene Verwaltung, freie Nutzung des Bodens, Abhaltung von Märkten, freie Wahl ihrer Geistlichen, das waren Privilegien, auf denen jahrhundertelang die Eigenständigkeit unserer Vorfahren fußte.

Was bislang an Tatsachen und plausiblen Darstellungen der mittelalterlichen Geschichte des Burzenlandes zusammengetragen und publiziert wurde – hinterlässt für mich Laien einige wichtige Grunderkenntnisse.

1. Das Burzenland war, als der Deutsche Orden kam, kein unbesiedeltes Land, keine Terra deserta et inhabitata. Menschen unterschiedlicher Sprachen gab es schon, sicherlich nur dünn verteilt vor 1211, und die erste Erwähnung der Siedlung oder des Klosters Corona ist um einige Jahre älter als die Berufung der Ritter.

2. In das Burzenland sind nicht nur einmal Deutsche von Rhein und Mosel zugewandert und immer wieder gab es im Zuge der Binnensiedlung einen Transfer von Menschen auch aus und in andere Teile Europas und Siebenbürgens.

3. Der Deutsche Orden hat trotz der nur 14-jährigen Präsenz Wesentliches – wenn auch archäologisch kaum Sichtbares - hinterlassen: Die Bauern und Handwerker, die Hospites, die Flandendres oder die Siedler - sie haben die sächsischen Dörfer erbaut und das Land, trocken gelegt und urbar und fruchtbar gemacht. Sie und ihre Nachkommen waren die ersten und nachhaltigsten Kulturträger der Landschaft am inneren Karpatenbogen, und das bis in die Gegenwart hinein. Die wirtschaftlichen Funktionen der Orte im Burzenland haben das Leben in dieser Region seit der Zeit des Ritterordens wesentlich geprägt.

4. An der Gestaltung und Werdung des Burzenlandes haben mit Sicherheit immer auch Menschen teilgenommen, obwohl urkundlich wenig belegt, die nicht der sächsischen Gemeinschaft angehörten, nennen wir als Beispiel nur die Bulgaren oder Vlachen aus der Oberen Vorstadt Kronstadts, dem Schei und auch die aus Zeiden die neben den mehrheitlichen Deutschen sichtbare Träger der rumänischen Kultur, zumindest die in Kronstadt, waren.

5. Kronstadt und das Burzenland waren und sind nicht nur Zentren wirtschaftlicher und kommerzieller Potenz sondern auch das Herz geistiger prägender Bewegungen. Schließlich ist 1542 die Reformation des Johannes Honterus nach Wittenberger Muster vom Burzenland ausgegangen. Kronstadt und das Burzenland als Zentrum der Kultur, der Kunst, der Architektur des Donau-Karpatenraumes – das ist auch heute und jetzt mehr denn je sichtbar.

6, Die Gemeinden des Burzenlandes und vorne weg Zeiden waren schon vom Anfang an Orte der schulischen Landschaft. Die erste Schule der Sachsen wird schon 1388 erwähnt und drei Jahre davor erscheint in den Matrikeln der Universität Wien der erste aus Kronstadt stammende Student. Und im Zeitraum bis 1525 sind 213 Kronstädter und 145 Burzenländer in Wien als Studenten gemeldet. 1543 eröffnete Johannes Honterus seine Liberei (Bibliothek), die zeitweise größte des gesamten ungarischen Königreiches.

Die heutige deutsche, rumänische und ungarische Historiographie versucht, den unterschiedlichen Paradigmen zum Thema Deutscher Ritterorden im Burzenland nachzugehen und die neuen Quellen und Funde, die Archäologen entdeckt und beschrieben haben, sind nun, u.a. in dem schon erwähnten Band einem breiten Publikum vorgestellt. So erfahren wir, dass das Burzenland in zwei Etappen von den Hospites besiedelt wurden, die eine Etappe vor der Ankunft der Ritter und die zweite während der Präsenz des Deutschen Ritterordens und in der Zeit danach. Auch wird uns mitgeteilt, dass Zeiden wahrscheinlich erst nach 1225 besiedelt und gegründet wurde, also nach dem Abzug der Ritter. Auch wissen wir nun, dass 40 % der Gesamtfläche des Burzenlandes von großen Sümpfen und Feuchtgebieten bedeckt war und diese zunächst trockengelegt werden mussten. Der Bau der Entwässerungskanäle waren wohl ein erstes Ziel der Siedler. Der Neugraben im Burzenland, dessen Entstehung wahrscheinlich später, um 1551, stattfand, hatte ebenfalls die Funktion der Entwässerung und Urbarmachung des südlichen und westlichen Teils des Burzenlandes. Genau so interessant wie das Studium der mittelalterlichen Entwässerungsgraben ist auch die Siedlungstopographie anhand von Straßen aus dem 13. Jahrhundert. Paul Niedermaier ist der Ansicht, dass es vor der Ansiedlung der westlichen Hospites in Zeiden eine „Belgerei“ ein „Terra Bulgarorum“ gab, hier wurde der wertvolle Rohstoff Salz aus der Landschaft jenseits der Karpaten, aus Valenii de Munte, zwischengelagert und dann weiter in den Westen transportiert. Und um schließlich bei Zeiden zu bleiben, möchte ich zwei weitere Einzelheiten aus der Feder des rumänischen Historikers Adrian Ionita erwähnen, der die erste Nennung der Schwarzburg, auf 960 m Höhe gelegen, für das Jahr 1262 vermerkt und deren Kern dem Deutschen Orden zugerechnet werden kann, obwohl noch kein klarer archäologischer Beleg dafür besteht. Erwähnenswert ist auch der Beitrag eines anderen rumänischen Historikers, Florin Motei, in dem zwei mittelalterliche Schwerter genannt und beschrieben werden, die auf dem Territorium von Zeiden gefunden wurden, eines davon lagert im Historischen Museum in Kronstadt. Der Fund wird den historisch Interessierten von Ihnen sicher bekannt sein. Wertvolle Erkenntnisse auch anderer rumänischer Historiker in Sachen Ritter im Burzenland sind in dem Band eingebracht, z.B. die schon seit Jahrzehnten bekannte Entdeckung von 127 Bestattungsstellen am Gräberfeld von Marienburg, die alle älter sind als das Jahr 1211, der Zeit der Ansiedlung des Deutschen Ritterordens.

Geschichte heißt aber nicht nur Nennung neuer Erkenntnisse sondern auch Betrachtung auf die Geschichtsrezeption durch Fachleute und interessierte Laien, deutlich geschildert von dem schon erwähnten Professor Dr. Dr. Zimmermann. Daraus ersehen wir, dass das Interesse für den Deutschen Ritterorden im Burzenland nicht in Siebenbürgen seine Wurzeln hat, sondern im universitären, durch die Aufklärung geprägten Göttingen des ausgehenden 18. Jahrhunderts, wo Professor August Ludwig Schlözer in drei 1795 – 1797 publizierten Bänden mit dem Titel „Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen“, auch auf die Ritter eingeht. Er und zwei seiner Schüler, die später Lehrer in Siebenbürgen wurden, lösten nun das Interesse der Siebenbürger für die Ritter, damals schon romantisch dargestellt, z.B. in folgendem Gedicht:

„ Da stiegen stolze Burgen auf

im Tal und auf den Höhen,

die haben in der Zeiten Lauf

manch harten Strauß gesehen.

Und fragst Du nach dem Rittermann,

der diese Feste baute:

Der Bürger warst, der Bauersmann,

der solches sich getraute“.

Die meisten anderen Publikationen des ausgehenden 19. und des 20. Jahrhunderts waren „Nacherzählungen vom Nacherzählten von Nacherzählungen“, wie Zimmermann es formuliert. Die ungarische Historiographie hatte zunächst die Ritter z.T. für sich genutzt. Rumänische Publizisten, u.a. der rumänische Hobbyhistoriker Iosif Schiopul war der Ansicht, die Spuren der Ritter seien Fälschungen und müssten aus der Geschichte getilgt werden.

Das Hin und Her der Historiker ist erkennbar nicht zuletzt in der These des „Bruderkrieges“ in dieser Sache, der zufolge die Ritter vom ungarischen König in Waffenbrüderschaft mit den sächsischen Siedlern Siebenbürgens vertrieben wurden. Zumindest seit Thomas Nägler und selbstverständlich seit Zimmermann können wir folgendes Fazit ziehen: „Man kann mit Sicherheit behaupten, dass die Deutschen Ritter während ihrer 14 ½ jährigen Anwesenheit im Burzenland, wohl kaum eine Burg fertig gestellt, aber gewiss mehrere in Angriff genommen hatten“.

Zuguterletzt noch einige Sätze über die Darstellung des Deutschen Ordens in der Bildenden Kunst Siebenbürgens, aus der Feder des in Heidelberg lebenden Kunsthistorikers Timo Hagen. Dort erfahren wir, dass das historische Gedenken an die Ritter im Jahre 1912, also aus Anlass der Feierlichkeiten zum 700. Jahrestag der Besiedlung des Burzenlandes ins kollektive Bewusstsein gebracht werden sollte. Die Feierlichkeiten hatten die Selbstvergewisserung der burzenländisch-sächsischen Bevölkerung durch das Erinnern an die Leistungen der Vorfahren zum Ziel. „Wir wollen 1912 unseren siebenhundertjährigen Adel feiern“, schreibt Adolf Meschendörfer in der Zeitschrift „Karpaten“. Große Vorhaben waren angesagt, z. B. Die Errichtung einer Ritterstatue am Marktplatz von Kronstadt, was allerdings der ungarischen Administration missfiel, hatten diese ja 1896 auf der Zinne, anlässlich der Milleniumsfeier des ungarischen Königreiches, dort eine Arpadenstatue aufgestellt.

Zu den Festlichkeiten zum 700. Geburtstag kam es allerdings aus diversen Gründen nicht.

In der Zwischenkriegszeit fand erneut ein Aufleben des Modells „Ritter“ in der Bildenden Kunst der Siebenbürger Sachsen statt. Maler und Grafiker wie Walter Schachel, Fritz Kimm und Helfried Weiss schafften Werke mit hehren, edel anmutenden Ritterdarstellungen. Diese wurden dann in der Zeit des Nationalsozialismus durch die Deutsche Volksgruppe instrumentalisiert und das alldeutsche Bild des Ritters in Aquarellen, Plakaten und Postkarten festgehalten. 1943 stiftete die Deutsche Volksgruppe einen Hermann-von-Salza-Kunstpreis den, aus den Händen des Andreas Schmidt, dem sog. Führer der DVR, u.a. auch Fritz Kimm erhielt.

Interessant und fast kurios ist die Wiedergeburt des Ritterordenmythos in den letzten 15 Jahren in Form von historischen Gruppenveranstaltungen, z.B. in Zeiden. Dort hat sich ein Verein mit dem Namen „Ordinul cavalerilor teutoni“ gebildet, dessen Mitglieder in Ritterrüstungen verkleidet an mehreren Veranstaltungen u.a. in Zeiden und Neustadt auftraten. Vor 4 Wochen, vom 31.5. bis 2. 6. 2013, fand sogar ein „Turnirul Transilvaniei: Campionat international de lupte medievale“ statt.

Was bleibt nun heute zu sagen, wenn wir die Vergangenheit der stolzen Gemeinde Zeiden in der Rückschau zu betrachten versuchen? Die Menschen aus Zeiden und dem Burzenland waren und sind stets freiheitsliebend, sie konnten ihre Autonomie bewahren und die jahrhundertelangen Bedrohungen abwehren. Dies ließ ihre Landschaft wirtschaftlich zu einer der modellhaften Regionen Südosteuropas werden. Selbst Seuchen, Brandschatzungen und Überfälle, selbst die sowjetische und kommunistische Ära haben dem Wesen und den Herzen seiner Bewohner nichts anhaben können. Auch die Wunden der zwei Diktaturen des 20. Jahrhunderts können heilen, wenngleich vom größten Aderlass des 20. Jahrhunderts, dem Exodus der Deutschen und auch der Juden und Armenier, tiefe Spuren sichtbar sind und viel zerstört ist. Nicht vergessen sollten wir aber auch die Zeiten des politischen Irrsinns von 1939 an, als viele Landsleute den Hitlergruß für genehm hielten, Zeiten in denen z.B. ein 1888 in in Zeiden geborener Arzt, 1943 zur Waffen-SS kam und als Truppenarzt in Auschwitz und später in Neuengamme und Bergen-Belsen wirkte. Er war einer der wenigen die sich der britischen Besatzung stellte. Am 16. November 1945 wurde er in Lüneburg zum Tode verurteilt und kurz darauf in Hameln gehängt.

Im Kontrast dazu eine humanitäre Facette der Geschichte Zeidens: Der Bericht eines ehemaligen deutschen Offiziers vom Frühjahr 1945, der, auf der Flucht vor den Kommunisten und der Roten Armee, sich wochenlang bei einer Zeidner (ungarischen) Familie versteckt halten konnte. Sein Bericht erschien in der Tagebuchsammlung des bekannten deutschen Schriftstellers Walter Kempowsiki, in einer der Bände seines berühmten Werkes „Echolot“.

Die Aufarbeitung der Zeit der zwei Diktaturen des 20. Jahrhunderts, auch für Zeiden, das ist ein wertvolles und wichtiges Unterfangen des von Balduin Herter gegründeten „Zeidner Ortsgeschichtlichen Gesprächskreises“, der seit 1997 besteht.

Vorbei ist hoffentlich die Zeit, in der kleinere und manchmal auch länger andauernde Konflikte zwischen den einzelnen Ethnien Siebenbürgens das Zusammenleben belastet haben. Ich glaube aber, dass bei den meisten Zeidnern, gleich welche Ethnie, in den letzten Jahren ein historisches Erwachsenwerden stattgefunden hat.

Wenn bis auf eine kleine Zahl kaum Siebenbürger Sachsen mehr vor Ort sind - in Zeiden waren es vor dem Zweiten Weltkrieg 3 ½ tausend Deutsche, aktuell zählt die Zeidner evangelische Kirchengemeinde 442 Seelen, sollte dennoch ihr Wirken in den letzten 2 Jahrzehnten erwähnt werden.

Was sich in den 23 Jahren seit den Dezemberereignissen von 1989 alles im siebenbürgisch-sächsischen Umfeld ereignet und verändert hat, ist hier aus Zeitgründen nicht zu nennen. . Auch im Bild von Zeiden ist einiges neues zu sehen. Dazu natürlich die Restitution von Gütern aller Art, die einmal in deutscher Hand waren – die leider noch lange nicht abgeschlossen ist. Und dann die zahlreichen Projekte in den Kultur- und Kunstkreisen, die Publikationen, die Rückkehr der Siebenbürger Sachsen in das öffentliche Leben durch ihre politischen, kulturellen und sozialen Institutionen. Die Ortsforen der Deutschen, die Kirchengemeinde, sie alle und viele mehr sind Zeugen einer veränderten Welt vor Ort, in der es manchmal gar nicht wichtig ist, ob die Sprache unter den Menschen deutsch, rumänisch oder ungarisch ist. Ob die Zeidner Pension Anneliese rumänisch, mit „z“ geschrieben wird oder im schriftlich korrektem Deutsch, ist Ermessenssache.

„ Flügel dort, Wurzeln hier, Brücken über Zeit und Raum“, wie neulich ein hochrangiger Berliner Politiker unser Dasein beschrieb, das fordert selbstbewusste Rückbesinnung auf die Vergangenheit mit einem pragmatischen und zupackenden Blick nach vorne. Das ist mehr als eine rein akademische Beschäftigung. Die bäuerlich, handwerklich und geistig intensiv wirkenden Menschen Zeidens waren keine genetischen und auch keine ideellen Nachkommen der Ritter. Streit und Kampf mit Schild und Schwert, das waren eher die Ausnahmen, ihre Eigenart zeigte sich vielmehr bei der Verteidigung an den Schießscharten und Pechnasen der Kirchenburgen. Fleiß und Beständigkeit, die jahrhundertealten demokratischen Strukturen ihrer Netzwerke bis hin zum Ausbau ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Institutionen, das ist geblieben und wird auch weiterhin bleiben.

Burzenland und Zeiden sind heute eine Region mit einem weiten Entwicklungsspektrum, mit höchsten wirtschaftlichen, kulturellen und touristischen Potenzen, an dessen weiterem Wachsen wir alle, im Westen hier Lebenden großen Anteil und eine hohe emotionale Bindung haben. Jubeln sollten wir nicht in der Besinnung auf unsere Vergangenheit, vielleicht sollten wir eher dankbar sein für unsere Wurzeln und für unsere friedvolle Gegenwart, die nun schon bald 70 Jahre in Deutschland und in den meisten Teilen Europas anhält.

Betrachten wir die Geschichte der Siebenbürger Sachsen und auch die des Burzenlandes und der Großgemeinde und Stadt Zeiden heute nicht nur aus der Perspektive ihrer Einzigartigkeit, aus der manchmal etwas mystischen Sicht der Welt, die jemand „Da keiner Herr und keiner Knecht“ nannte. Auch sollte unser heutiges Bild nicht nur von Nostalgie, begründet durch den Kolaps während des Kommunismus und seiner wohl markantesten Folge, der Exodus unserer Landsleute geprägt sein. Blicken wir mit kritischen Augen auf unsere Vergangenheit, und da ist ja Zeiden mit seine zahlreichen Publikationen zur Lokalgeschichte, mit den regelmäßigen, und stilistisch und publizistisch exemplarisch guten „Zeidner Gruß“ in seinen 114 Auflagen zu sehen.

Modellhaft das gesellschaftliche Leben der Zeidner, bei ihren regelmäßigen kleineren oder bei großen Treffen, ihre Konzerte, Faschingsbälle und Skifreizeiten, ihre bislang 21 Nachbarschaftstreffen, ihre Stiftung und nicht zuletzt der Beitrag der Zeidner in der HOG-Bewegung. Hervorragend auch der „Burzenländer Heimatkalender“. All das gehört zur Schaffung Ihrer und unser kulturellen Identität, zur weiteren Pflege der Wertegemeinschaft hier, in Deutschland und in Europa und nicht zuletzt in der alten Heimat. Ich gratuliere Ihnen allen herzlich zum 60. Geburtstag Ihrer Gemeinschaft.

Hansgeorg v. Killyen/Lahr