05.09.2021

Andreas Hartig letzter Gottesdienst in Zeiden

Selbst der Bischof der Evangelischen Kirche A.B in Rumänien, Reinhart Guib, ließ es sich nicht nehmen, gemeinsam mit seiner Gattin, persönlich vom Zeidner Pfarrer Andreas Hartig zu verabschieden. Am Spätnachmittag des letzten Augustsonntags nach dem Besuch des traditionellen Bartholomäusfestes in Kronstadt – auf dem Weg Richtung Hermannstadt – schaute der oberste Hirte der evangelischen Siebenbürger Sachsen in der Stadt unter dem Zeidner Berg vorbei, um Andreas Hartig alles Gute auf seinem Lebensweg und einen guten Start in der neuen Pfarrei in Linz zu wünschen.

Ende August hatte Andreas Hartig den letzten großen Auftritt in seiner Kirche in Zeiden. Fast auf den Tag genau vor 12 Jahren hielt er seine erste Predigt als Pfarrer in Zeiden. Es waren sicherlich keine einfachen Jahre für den jungen Pfarrer, in denen so viel passierte, und in denen er sich zu einem großartigen Pfarrer und Verwalter der Anliegen der evangelischen Kirche von Zeiden entwickelte.

Die Krönung seines Abgangs hätte die Fertigstellung der Renovierungsarbeiten am Turm sein können, was ihm Kurator Peter Foof in seiner Dankes-Abschiedsrede in diesem letzten Gottesdienst so gerne wünschte. Bis zur allerletzten Minute seines Aufenthaltes in Zeiden telefonierte der Pfarrer noch mit Baumenschen, versuchte alles abzuklären, damit der Turm wenigstens bis zum Herbst fertig wird – eigentlich sollte er sich im Sommer längst im neuen Gewande präsentieren.

Kurator Foof hob in seiner kurzen Ansprache im sehr gut besuchten Gottesdienst – über 120 Besucher wurden gezählt -  die gute Zusammenarbeit des Pfarrers mit dem Presbyterium hervor, dass die Abstimmung zwischen der Gemeindevertretung und dem Pfarrer tadellos funktionierte. Am Ende seiner Rede konnte der Kurator es sich dann nicht verkneifen, den anwesenden Bischofsvikar und Dechanten Dr. Daniel Zikeli aufzufordern, die Bemühungen nach einer Nachfolge aktiv anzugehen, um nicht wieder zwei Jahre zu warten – wie es in der Zeit vor Hartigs Start der Fall war.

Zikeli zeigte in seiner Rede einerseits Verständnis für den Weggang des Pfarrers, andererseits sei er traurig, dass man sich von einem Kollegen verabschiede, der „leidenschaftlich und gewissenhaft“ seinen Dienst ausgeübt habe. Immerhin könne Hartig auf eine „schöne Zeit zurückblicken“. Hartigs Kollege von der ungarischen evangelisch-lutherischen Kirche aus dem Nachbarort Krebsbach (Crizbav), Nimrod Bencze, empfindet vor allem Dankbarkeit, dass seine Mitglieder Unterschlupf in so einem schönen Gotteshaus gefunden haben und lobte die sehr herzliche Zusammenarbeit der beiden Geistlichen.

Nun war es an den weltlichen Rednern, Hartig zu würdigen. Als erstes erinnerte der Nachbarvater der Zeidner in Deutschland (und gleichzeitig Vorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen außerhalb Rumäniens), Rainer Lehni, an die verschiedenen Jobs, die der Pfarrer zu erledigen hatte – natürlich von den seelsorgerlichen bis hin zu ständig zunehmende Verwaltungs- und organisatorische Aufgaben. Darüber hinaus war er ein sehr beliebter Religionslehrer, der mit den Jugendlichen gut umgehen konnte. Das galt aber auch für den Traktor, den er souverän beherrschte, wenn es darum ging, die großen Rasenflächen in seinem Garten, im Friedhof und im Kirchhof zu mähen. Und nicht zu vergessen den professionellen Umgang mit dem Klavier und anderen Instrumenten. Musik ist seine Leidenschaft wie in seiner ganzen Familie, wie er mal so nebenbei erwähnte. Lehni betonte allerdings zurecht, dass für ihn vor allem die ungewöhnlich gute Zusammenarbeit zwischen der Zeidner Nachbarschaft in Deutschland und dem Pfarrer besonders hervorzuheben ist.

Dem konnte Reinhold Mieskes als Vorsitzender der Stiftung Zeiden nur beipflichten. In seiner kurzen Dankesrede verwies er auf fruchtbare Projekte, die die Stiftung tatkräftig unterstützte, unter anderem Archivierungsarbeiten oder ganz aktuell die Renovierung der Gästezimmer im Pfarrhof. Als letzter im Bunde der Zeidner Nachbarschaft lieferte Altnachbarvater Udo Buhn noch etwas Statistik nach, zum Beispiel, dass Andreas Hartig der 37. evangelische Pfarrer in Zeiden sei, der 48. insgesamt, seit Pfarrer aufgezeichnet wurden, dass er mit seinen zwölf Dienstjahren schon  zu denen gehört, die es etwas länger in Zeiden aushielten und dass er in die Geschichte der Zeidner Kirche als der Pfarrer eingehen werde, der das größte Renovierungsprojekt zu stemmen hatte (auch wenn er die Fertigstellung nicht vor Ort erleben kann).

Eine Premiere dürfte sicher gewesen sein, dass sich auch die Stadtverwaltung offiziell vom Pfarrer verabschiedete. In seiner Grußbotschaft sicherte der stellvertretende Bürgermeister Gheorghe Rişcău der Kirche die volle Unterstützung der Stadt zu, dass es auch im Interesse und auch der Wunsch der Stadtverwaltung sei, dass das aktuelle EU-Projekt erfolgreich zu Ende geführt werde und dass man mit jährlich rund 10.000 Euro die Arbeiten an Turm und Kirche unterstützen werde.

Bereits seit 1990 unterstützt der Rumänien-Ausschuss des Kirchenkreises Oberes Haveland die Zeidner evangelische Kirche, wie die ehemalige Vorsitzende dieses Ausschusses, Gabriele Lehmann,  in ihrer Rede betonte. In all diesen Jahren habe man viel bewegt, „wir waren immer gerne hier“, es seien richtige Freundschaften entstanden, man habe bei all den manchmal besonderen Herausforderungen „viele positive Eindrücke“ mitgenommen. Was sie nicht erwähnte, was aber für die Kirche umso wichtiger war, war auch die regelmäßige finanzielle Unterstützung. Aktuell steuerten die ostdeutschen Kirchenleute 20.000 Euro zur Renovierung bei, und davor die gleiche Summe, um die Heizung in der deutschen Grundschule in der Marktgasse zu erneuern.

Den Schlusspunkt bildete die jahrelange Leiterin der Tanzgruppe, Christine Vlădărean, die sehr gerne dem Pfarrer einen Abschiedstanz mit ihrer Gruppe gewidmet hätte, wie sie betonte, versicherte gleichzeitig, dass man den ersten öffentlichen Auftritt ihm widmen werde.

Nach so vielen guten Wünschen und Danksagungen versicherte der Pfarrer, dass er auf jeden Fall wiederkomme, um die renovierte Kirche und den Turm fertiggestellt zu sehen. Er bedankte sich für zwölf Jahre fruchtbarer Arbeit „mit allen Höhen und Tiefen“ und erinnerte daran, dass er als junger Pfarrer ins kalte Wasser geworfen wurde und „das Schwimmen in Zeiden gelernt“ hat. Sein großer Dank galt auch seinen Mitarbeitern, auf die er sich all die Jahre verlassen konnte und die ihn tatkräftig unterstützten.

Bleibt nur noch die große bange Frage im Raum, die alle Mitarbeiter und natürlich die Mitglieder der Evangelischen bewegt, wann ein Nachfolger beziehungsweise eine Nachfolgerin ihren Dienst antreten wird. Die Stelle ist ausgeschrieben – und mehr ist im Moment nicht zu sagen.

Im Anschluss an den Gottesdienst fand auf dem Kirchhof bei schönstem Sonnenschein, Baumstritzel und sonstigen Leckereien ein versöhnlicher Ausklang und mit vielen Umarmungen und kräftigen Abschiedshändedrücken statt.

Hans Königes

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