14.07.2019

22. ZOG in Ottmaring erfuhr wenig Zuspruch

Die Entscheidung des Vorstandes der Zeidner Nachbarschaft, den 22. Zeidner Ortsgeschichtlichen Gesprächskreis (ZOG) in das Probewochenende der Zeidner Blaskapelle vom 24. bis 26. Mai 2019 (Zeidner Wochenende ) miteinzubinden, erwies sich im Nachhinein für den ZOG und seine beiden Organisatoren Udo Buhn und Helmuth Mieskes leider als keine glückliche Entscheidung. Obwohl auch zu diesem diesjährigen Gesprächskreis rechtzeitig eingeladen und der Stamm der ZOG-Interessierten extra eingeladen wurde, erfuhr der Gesprächskreis, trotz einer interessanten Themenzusammenstellung, sehr wenig Zuspruch.

Das ist enttäuschend und motivationshemmend zugleich, denn am Termin und am Ort lag es sicher nicht – Ottmaring liegt in der Nähe von Augsburg. Und am Thema Deportation sicher auch nicht. Noch nie stand es auf der Tagesordnung eines ZOGs, und angesichts der Erinnerung - 70 Jahre seit der Rückkehr aus der Deportation 1949-2019 -, war es gewichtig genug, um heimatkundliches und persönliches Interesse zu wecken. Ich erwähne das deshalb, weil wir als ZOG-Verantwortliche besonders denjenigen eine Verpflichtung gegenüber haben, die sich mit einem bestimmten Thema für diesen Gesprächskreis vorbereiten und die dann vor einem Publikum von nur 19 Personen (davon sechs Vorstandsmitglieder) referieren müssen.

In Ottmaring traf es diesmal Werner Gross (Bietigheim-Bissingen), der mit zwei interessanten und bewegenden Beiträgen über die Deportation und Rückkehr seiner Eltern aus der Deportation aufwartete. Beide Beiträge (Originaltexte einsehbar unter folgenden Links: Text_1 und Text_2) hätten einen besseren Zuspruch verdient. Uns bleibt nur, bei Werner in aller Form über das scheinbare Desinteresse an diesem Thema zu entschuldigen und ihm für seine wertvolle Mitarbeit herzlich zu danken. Im Anbetracht unserer gemeinschaftlichen Interessen an heimatkundlichen Themen, hoffen wir sehr, dass Ottmaring eine Ausnahme bleibt.

Doch nun zum Gesprächskreis. Nach der Begrüßung der Teilnehmer und Gäste, darunter auch Pfarrer Andreas Hartig und Jürgen und Angelika Schnabel von „Radio Siebenbürgen“, stellte Helmuth Mieskes kurz die Nachmittags-Tagesordnung vor, um danach mit seinem Beitrag „Erinnerung an das Ende der Deportationszeit vor 70 Jahren“ in die Thematik des Gesprächskreises einzuführen. In seinem Beitrag beschränkte er sich lediglich auf die statistischen Zahlen der Zwangsverschleppung, die speziell Zeiden betreffen. Diese Zahlen (113 Todesopfer, davon 86 Männer und 27 Frauen), die seit 1959 im Zeidner Gruß immer wieder in unterschiedlichen Beiträgen in unser Gedächtnis gerufen wurden, sind der Beweis dafür, dass diese damalige Zwangsverschleppung im Jahr 1945, wohl als der härteste Schlag in der Reihe der Repressalien gegen die Deutschen Rumäniens , angesehen werden kann.

113 Tote von ursprünglich 480 Deportierten aus Zeiden (davon 245 Männer und 235 Frauen) – diese Zahlen sprechen für sich. Die meisten Zeidner wurden in den Lagern Almasna, Parkomuna, Nikanor und Makeevka im Donzebecken (in der heutigen Ukraine) interniert und mehrere Jahre, unter kaum vorstellbaren Lebens- und Arbeitsbedingungen, zur Zwangsarbeit – die von Russen als Aufbauarbeit angesehen wurde - gezwungen. 89 Zeidner starben in der UdSSR, 13 in Ostdeutschland und Berlin, ein Zeidner in Westdeutschland, drei Zeidner auf dem Transport nach Hause und sechs Zeidner unmittelbar nach ihrer Rückkehr nach Zeiden. Äußerst tragisch dabei ist die Tatsache, dass dadurch 79 Kinder in Zeiden Vollwaisen wurden und 350 Kinder einen Elternteil verloren. Diejenigen, die fünf Jahre nach dem Kriegsende von diesen schweren und leidvollen Schicksalsschlägen betroffen waren – und das waren viele Familien in Zeiden – werden die schwere Zeit nach dem Krieg und erst recht nach 1949 nie vergessen.

Auch wenn das Geschehen um diese Deportation nach 70 Jahren längst der Vergangenheit angehört, ist dieses menschenverachtende Geschehen weder vergessen, noch hat es aufgehört, das Selbstverständnis der Siebenbürger als ethnische Minderheit in Rumänien und als Gruppe in Deutschland zu bestimmen. Deshalb rief Helmuth Mieskes auf, dieser damaligen Geschehnisse immer wieder aufs Neue zu gedenken und sich mit den damaligen Geschehnissen zu beschäftigen. In diesem Sinne und im Gedenken an die Toten der Russlanddeportation wollte er auch den aktuellen Gesprächskreis verstanden wissen.

Im Anschluss nahm Werner Gross mit zwei Beiträgen die Gelegenheit wahr, über die Deportation seiner Eltern Irene und Hans Gross nach Russland und die Heimkehr seiner Eltern aus der Deportation, aus seinen und den Erinnerungen seiner Eltern, zu berichten. Dabei wurde auch viel Privates, mit einem verständlichen Maß an Emotionalität, aus der Familie preisgegeben. Mit bebender Stimme erinnerte sich Werner unter anderem – er war damals erst sechs Jahre alt - an den besagten 13. Januar 1945, an dem er und sein Bruder das Kofferpacken der Eltern miterlebten und anschließend, innerhalb kürzester Zeit, von ihren Eltern Abschied nehmen mussten, ohne zu wissen, wohin und für wie lange die Eltern ins Ungewisse „verreisten“.

Erst Tage oder gar Wochen später begriffen die beiden zurückgelassenen Kinder, dass dieser Abschied kein gewöhnlicher war und dass künftig nicht die Eltern, sondern die Großeltern an ihrer Seite standen und sie durch diese schweren Zeiten durchbrachten. Werner beschrieb sehr anschaulich, den gemeinsamen und sehr beschwerlichen Weg seiner Eltern über Kronstadt und Jassy ins Kohlebecken (Donezgebiet) an den Bestimmungsort Parkomuna, wo sie dann in einem Arbeitslager interniert und unter kaum vorstellbaren Bedingungen arbeiten und „leben“ mussten. Die Zwangsdeportation seiner Mutter dauerte zwei Jahre und die seines Vaters vier Jahre. Mit der schrecklichen Bilanz der Deportation aus Sicht der nahen Verwandtschaft (drei Todesopfer, ein schwerbehinderter Onkel) beendete er seinen emotionalen Beitrag, der bei ihm selbst nach 74 Jahren eine erkennbare Präsenz besitzt.

Der zweite Beitrag von Werner „Die Heimkehr meiner Eltern aus der Deportation“, bei dem unter anderem auch der Zeidner Arzt Erwin Reimer – der seine Mutter bereits im Oktober 1946 auf die Krankenliste gesetzt hatte - Erwähnung findet, kann hier nachgelesen werden.

Unter dem Tagesordnungspunkt „Zeidner kommen zu Wort“ wollten die Organisatoren Udo Buhn und Helmuth Mieskes den Gesprächsteilnehmern die Gelegenheit geben, Fragen zu bestimmten Themenbereichen zu stellen, die unter anderem die Nachbarschaft, das Veranstaltungsangebot der Nachbarschaft, den Zeidner Gruß, den ZOG und die Evangelische Kirchengemeinde Zeiden betreffen. Leider kam diese beabsichtige Runde, angesichts der wenigen Teilnehmer, nicht wie geplant zustande. Dennoch zeigten einige Wortmeldungen, dass eine ehrliche und konstruktive Aussprache unserer Gemeinschaft sicher guttun würde und diese sehr bald nachgeholt werden sollte.

Das Thema persönliche Lebenserinnerungen und „Zeidner MERKwürdigkeiten“ wurde vertagt, zumal im zweiten Literaturkreis der am Vormittag, mit erfreulichem Zuspruch, stattfand, die Idee und die künftigen Vorhaben vorgestellt werden konnten.

Mit dem Dank an die anwesenden Zuhörer und dem besonderen Dank an Werner Gross wurde der 22. Gesprächskreis beendet.

Helmuth Miekes

Böbingen